Schweigen ist immer mehrdeutig und kann ziemlich mächtig sein ! Wenn es einvernehmlich ist, tut es meist so gut, wie es die Stille dann auch vermag. Wer Yoga macht, sich gerne in leere Kirchen setzt oder Waldspaziergänge schätzt, weiß wovon ich rede. Es ist gut, sich bewusste Pausen von der Geschwätzigkeit unserer Zeit zu nehmen und die Stille zu genießen, statt sie zu fürchten.
Schweigen verhindert Dialog!
Ein distanziertes Miteinander kann jegliche Nähe unterbinden .Gerade als Paartherapeutin und Coachin erlebe ich die Macht eines schweigenden und dialogunwilligen Partners sehr eindrucksvoll. Schweigen kann einerseits jeglichen Dialog bereits im Ansatz stoppen. Andererseits errichtet es symbolische Mauern zwischen Menschen und Kulturen. Immer dann, wenn machtvolles Schweigen manipulativ eingesetzt wird, entsteht große Distanz. Diese wird oft auch von Ignoranz begleitet. Andererseits kommt nun auch eine gewisse Indifferenz, also Unklarheit auf. Genau das ist tatsächlich altersunabhängig ! Bei einem pubertierenden, und schweigenden Teenager, spricht man dann gerne von verweigerndem Trotz. Beim schweigenden Erwachsenen ist dann oft auch von dessen Sturheit oder Verbohrtheit die Rede.
Schweigen und Ignoranz.
Besonders deutlich zeigt sich ein “machtvolles” Schweigen durch das Ignorieren des Gegenübers. Oft wird hierdurch über den eigentlichen Konflikt gar nicht mehr geredet ! Denn das Gefühl des Ignoriert-Werdens und sich Abgewertet – Fühlens dominiert und bleibt oft stark “kleben.”
Das „angeordnete „Schweigen.
Schweigen kann allerdings auch Ausdruck einer passiven Gewalttätigkeit sein. In totalitären Systemen wie in Rußland oder auch Nordkorea lernt man früh zu schweigen. Fehlende Meinungs-und Pressefreiheit und deutlich eingeschränkte Grundrechte führen hier also zu einem angeordneten Schweigen. Das ist durchaus typisch für Autokratien.
Emotionaler Missbrauch.
Misstrauisches Schweigen tritt dagegen immer dann groß auf, wenn es um die Wahrung von Geheimnissen geht. Auch wenn ein Tabubruch zu befürchten ist wird geschwiegen. Zweifellos steckt dahinter möglichst wenig von sich selbst preiszugeben. Andererseits geht es aber häufig auch um die Kontrolle von Situationen. Wird aus Hilflosigkeit und Angst geschwiegen, kreiert das sofort ein schreckliches Opfer-Täter- Verhältnis.
Schweigen ist somit immer auch eine Strategie des psychologischen, emotionalen Missbrauchs !
Als Schweigender glaubt man an die hohe eigene Selbstkontrolle. Man hält sich für rational, wenn man bewusst und überlegen(d) schweigt. Emotional zu sein, kann für diese Menschen also auch gefährlich sein. Dann doch lieber vielsagend schweigen, um so angeblich die Vernunft über die Emotionen siegen zu lassen. Vermag ein Mensch keine oder selten Worte für seine Gefühle finden und aus diesem Grund eher schweigen, statt zu sprechen, liegt möglicherweise als Persönlichkeitsmerkmal eine Art Gefühlsblindheit vor. Hier mangelt es nicht nur daran etwas zu verbalisieren, sondern häufig auch an Leidenschaft und Einfühlungsvermögen mit wenig Kuschelbedürfnis. Das betrifft etwa 10% der Bevölkerung und vor allem Männer.
Das reaktive Schweigen.
Schweigend wird schließlich oft kategorisch abgelehnt, weiter miteinander zu sprechen. Oft herrscht so ein Schweigen in Familien oder zwischen Völkern jahrzehntelang. Es entsteht ein Tabu! Das heißt aber auch, dass kein Interesse daran besteht, sich in sein Gegenüber einzufühlen. Offensichtliche Bedürfnisse oder Notwendigkeiten müssen so auch nicht registriert werden. Für konfliktscheue und introvertierte Menschen ist ihr reaktives Schweigen daher weder eine individuelle, noch eine partnerschaftliche Lösung.
In meiner Praxis sind mir im Laufe der Jahre viele Menschen begegnet, bei denen das Nicht- Kommunizieren ihrer privaten oder beruflichen Partner hohen Stress und manchmal sogar ein emotionales Trauma ausgelöst hat. Selbstwertzweifel und hilflose Wut stellen sich hier schnell ein. Denn Ignoriert- Werden beinhaltet immer eine grandiose Abwertung der eigenen Person und ist eine tiefe, auch narzisstische Kränkung.
Ein strategisch ignorierendes Gegenüber erreicht schnell, dass der verunsicherte Partner sich ziemlich bedeutungslos fühlen kann. Das kann zu einer tiefen Depression, Ohnmachts-und Angstgefühlen führen. Gleichzeitig existieren hier aber auch Wut, Angst und Schuldgefühle ! Das bleibt meist sehr lange unter der Oberfläche ! In einer Therapie taucht wieder einiges auf und kann verarbeitet werden.
Schweigen als “Bestrafung”.
Es gibt durchaus Partnerschaften und Familien, die dumpf in einer kalten Stille des Schweigens funktionieren. Meistens weiß das Gegenüber nicht, was nun das Schweigen eigentlich bedeutet. Schließlich wird das Grundgefühl bestätigt, mal wieder irgendwas falsch gemacht zu haben. Dafür wird dann wiederum mit Schweigen bestraft.
Schweigen als ungesunde Konfliktstrategie.
Ignoriert werden ist so etwas wie eine indirekte Anklage und damit eine sehr ungesunde Konfliktstrategie. Sowohl von jenem, der aggressiv schweigt, als auch von dem, der es passiv hinnimmt .In solchen Beziehungen gibt es keine lautstarken Auseinandersetzungen. Alles findet schweigend und erduldend in beklemmender Stille statt. Aber auch das hat erhebliches, emotionales Gewaltpotenzial !
Schweigen in unserem Gehirn ?
Unser Gehirn verändert sich nachweisbar in ganz bestimmten Arealen. Übrigens auch dann, wenn wir uns ständig ignoriert fühlen. Das passiert im gleichen Areal des Hirns, in welchem auch unterschiedliche Schmerzpegel nachweisbar sind. Unser Hirn weist also erhebliche physikalische und emotionale Veränderungen als Folge von ständigem Schweigen auf.Körperliche Reaktionen auf ständiges Schweigen.
Mit der Aktivierung dieses Hirnareals treten auch andere körperliche Symptome auf. Bekannt sind vor allem migräneartige Kopfschmerzen, aber auch Verdauungsprobleme. Aber auch wachsende Schlaflosigkeit und abnorme Müdigkeit werden beklagt . Wenn solche Phasen über längere Zeit andauern, reagiert schließlich das ganze Auto-Immunsystem wie auf Dauerstress. Die Blutdruckwerte steigen! Diabetis kann sich einstellen oder ein bis dahin stummer Krebs aggressiv ausbrechen.
Gesundheitsfalle : Schweigen !
Aus Studien weiß man, dass sich all dies noch schwerwiegender entwickelt, wenn das schweigende Gegenüber gleichzeitig eine Autoritätsperson wie ein Elternteil , ein Lehrer oder der Chef oder die Chefin ist. Ignorierendes Schweigen ist hier eine absolute Gesundheitsfalle !
Veränderungen erfolgen immer durch Kommunizieren !
Jemand der schlecht kommunizieren kann, vermag weder gut zuhören, noch verständliche Botschaften senden. Das gleicht einem Tunnel, in dem alles verhallt und durchrauscht. Ignorierendes Schweigen zerstört jeglichen Beziehungsansatz. Es sei denn, man geht in die 50/60er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück, und in deren “rabenschwarze Pädagogik . Hier hieß noch das Motto:” Kinder sollte man sehen, aber nicht hören.” Veränderungen erfolgen immer durch Kommunizieren, nicht durch erstarrtes Schweigen.
.Zum Glück gibt es dann auch noch das Zusammensein ohne Worte bei sehr verliebten Menschen. Allerdings wird auch hier schnell angenommen, dass unser geliebtes Gegenüber wissen muss, was wir uns wünschen. Nein, wir können uns nicht gegenseitig in den Kopf schauen. Darüber miteinander sprechen ist also entschieden klarer und besser !
Deeskalierendes Schweigen.
Und natürlich kann ein bewusst eingelegtes, vielleicht sogar angekündigtes Schweigen, die Emotionen runterkochen. Eine Deeskalation ist einerseits durch gezielte Redepausen möglich. Andererseits kann auch eine bewusst eingebaute Stille entspannend sein. Im Beziehungscoachings oder einer Paar-Therapie begegnet mir dieses Muster häufig : Einer redet viel und dauernd. Der Andere hört dagegen ständig zu ! Die Redezeiten sollten auch zum Thema werden und die Rollen nun anders verteilt werden. Im Kommunikationstraining kann dies sehr eindrucksvoll eingeübt werden.
Fazit : Schweigen hat auch eine mächtige Kontrollfunktion. Manchmal wird es auch als eine Bestrafungsmethode benutzt. Jemand bewusst schweigend zu Ignorieren ist allerdings ziemlich mies und asozial. Miteinander in Dialog gehen hilft dagegen immer Konflikte zu lösen. Strategische Stille und Distanz will vor allem Kontrolle über das Gegenübers! Hier werden nur mehr Probleme initiiert, statt sie zu lösen.