Das geteilte Kind !

Das geteilte Kind !

Das Recht am Kind 50/50 aufzuteilen, wurde mit der Sorgerechtsreform 1998 per Gesetz festgeschrieben. Schätzungen zufolge einigen sich immerhin 85 bis 95% aller Eltern in Trennung oder Scheidung auf ein Lebensmodell, das auch das Kindeswohl beinhalten soll. Damit geht  der Trend zum geteilten Kind.

Bei diesem Wechselmodell wird davon ausgegangen, dass die Eltern einvernehmlich handeln. Was eben nicht immer der Fall ist. Vor allem wenn Gewalt im Hintergrund eine Rolle spielte. Oder Missbrauch körperlicher und emotionaler Art.

Verhängnisvolle Rechtsprechung.

Da wird also im Zweifel gegen eine Mutter entschieden, die sich ab Geburt alleine um das Kind gekümmert hat und umziehen wollte. Mit sofortiger Wirkung wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Vater übertragen. Trotz dessen zweifelhafter, gewalttätiger Vergangenheit.

Die Frau versteckte sich schließlich monatelang mit ihren Kindern in einem Frauenhaus. Die Gründe interessierte kein Gericht. Sie wurde nun wegen Kindesentziehung belangt. Und es wurde angeordnet, dass die Familie nun in einem Wechselmodell zu leben hatte. Die Kinder wurde also aufgeteilt. Obwohl die Mutter vor dem Partner und das Kind vor dem gewalttätigen Vater große Angst hatten.

Diesen eben erläuterten Fall legte der Soziologe und Kinderschutzexperte Wolfgang Hammer exemplarisch für Hunderte anderer in seinem Bericht zu „Familienrecht .Bestandsaufnahme“  vor. Es existieren hiernach Gerichtsakten, in denen u.a. dieser Satz gestanden haben soll : „ Pädophile Neigungen des Vaters oder der begründete Verdacht des sexuellen Missbrauchs, rechtfertigen nicht von sich aus einen Ausschluss des Umgangs. “ 

Frauen mit Gewalterfahrungen, die sich ins Frauenhaus flüchten, wollen das Kind oder die Kinder schützen. Aber für die realen Gründe interessiert sich kaum einer. Im wahren Leben interessiert dies leider nicht die Frau oder der Mann vom Jugendamt, oder die Gutachter*innen oder die Richter*innen.

 

Tatsächlich gibt es strittige Fälle und Urteile, bei denen von 30.000 bis 80.000 Minderjährigen gesprochen wird, die in Familienrechtsverfahren zwischen Vater und Mutter hin und her zerrissen werden, was schon an emotionale Gewalt grenzt. Und nicht nur das : Da werden Kinder im Vorfeld der Entscheidungen permanent befragt, beobachtet und begutachtet. Oft eine psychologische Tortur!

Spielt Gewalt eine Rolle, wird sie – so Experten- leider immer noch schnell herunterargumentiert. Und dann entscheidet letztlich ein Familienrichter, (nicht selten weiß man, sind das ehemalige Strafprozessrichter ), über das Wohl und Wehe vor allem des Kindes. Und nicht unbedingt immer wirklich alle Fakten für das Wechselmodell berücksichtigend.

 Umstrittenes Wechselmodell.
Ob es tatsächlich besser ist, die Kinder wechselweise aufzuteilen, statt konstant bei einem Elternteil zu belassen, ist selten klar ersichtlich. Es wird wenig darüber nachgedacht, ob eine Aufteilung zwischen Vater und Mutter wirklich psychosozial zu verantworten ist. Die Folgen sehe ich im therapeutischen Alltag. Denn inzwischen weiß man, dass Kinder nicht exakt gleich viel Zeit von Mutter und Vater benötigen, um gute soziale und emotionale Beziehungen aufzubauen. Schließlich kommt es tatsächlich auf die Qualität der mit den Kindern verbrachten Zeit an !
 
Nicht beweisbare Gewalt !

Wenn Mütter und Kinder von Gewalt berichten, werden sie leider häufig zu wenig gehört und ernst genommen. Denn meistens ist die Gewalt, die erlebt wurde, nicht beweisbar, auch nicht ob Möbel durch die Gegend flogen, oder Mütter mit Kindern aus der Wohnung mit Schlägen rausgeworfen wurden. Nur ganz selten lässt sich häuslich Gewalt eindeutig nachweisen. Das Familiengericht spricht sich hier daher nur dafür aus, ob der Kontakt beschränkt wird oder ausgeschlossen werden sollte. Details interessieren nicht, sind aber lebenswichtig. Selbst wegen Gewalttaten rechtskräftig verurteilte Väter konnten darauf bauen, dass das Familiengericht keinen Zusammenhang mit ihrer Elternrolle herstellte.

Das Sorgerechtsverfahren.

Häufig werden die Übergriffe der Väter ohne weitere Prüfung als Falschaussagen der Mütter abqualifiziert. In meinem beruflichen Alltag sind mir tatsächlich Frauen begegnet, die von ihren Rechtsberatern bzw. Anwältinnen geraten bekamen sich zurückzuhalten. Nicht  belegbare Übergriffe sollen erst gar nicht erwähnt werden. Angeblich geht es immer um die Glaubwürdigkeit der Mutter. Vor allem aber darum, ihre Chancen im Sorgerechtsverfahren nicht zu gefährden.

Typische Unterstellung : Zu enge Symbiose zwischen Mutter und Kind !

Frauen die offen Gewaltvorwürfe äußern, wird schnell ein „Parental Alienation Syndrom“ unterstellt. Das heißt, es wird Müttern eine zu enge Symbiose mit den Kindern und natürlich eine entsprechende Entfremdung vom Vater fast automatisch als Strategie unterstellt.

Das weiß auch Ludwig Salgo, Familienrechtler und Kinderschutzaktivist, emeritierter Prof. für Pädagogik an der Uni Frankfurt. Der bereits erwähnte Soziologe Wolfgang Hammer, 25 Jahre Leiter der Abteilung Kinder – und Jugendhilfe, innerhalb der Sozialbehörde in Hamburg, berichtete ebenfalls über sehr viel Erfahrungen mit Gewalt in Familien. Hammer beschrieb detailliert 42 Fallbeispiele  alleinerziehender Mütter, denen die Ämter die Kinder weggenommen hatten, weil sie in einer angeblich zu engen Symbiose lebten. Was übersetzt heißt, das Kind oder die Kinder wurden laut Gericht dem Vater zu entfremdet.  Zudem wertete Sommer mit seinem Team 600 Fälle aus, die ein grundsätzliches Problem offen legten. Danach scheint es so zu sein, dass Familiengerichte alleinerziehende Mütter benachteiligen und vor allem hierdurch das Kindeswohl eher nachrangig behandelt wird.

Der lange teure Rechtsweg .

Hammer und sein Team werteten hunderte öffentlich einsehbare Urteile des Familiengerichts aus. Klar stellt sich heraus, dass die wenigsten Beteiligten den Rechtsweg aus finanziellen Gründen nicht bis zum Ende durchhalten können. Strittige Verfahren wurden vor allem von Angehörigen der Mittel-und Oberschicht begonnen. 72 von 92 Verfahren wurden zudem von einem männlichen Mandanten, also einem Vater aktiviert. Und bemerkenswerterweise wurden die meisten Väter erfolgreich von der gleichen  Anwaltskanzlei vertreten.

Gewaltbehauptungen, um den Vater rechtlich auszuschalten? 

In den Akten fand Prof. Sommer verhängnisvolle Zuschreibungen und Narrative. Männer werden zu Opfern, sind andererseits aber auch Täter, ohne Rechtsfolgen zu befürchten. Es wurde vor allem den Müttern unterstellt, dass die Vorwürfe hinsichtlich Gewalt und/oder sexuellem Missbrauch einfach nur als Mittel zum Zweck gebraucht wurden, um das Sorgerecht zu erhalten. So sollte der Umgang mit dem Vater erfolgreich verhindert werden.

Um tatsächlich wegen Missbrauches, Vergewaltigung oder Körperverletzung oder auch schwerer verbaler und emotionaler Gewalt verurteilt zu werden, sind für die anzeigenden Frauen große rechtliche Hürden und emotionale Grenzen zu überwinden. Und Zeit und Geld zu finanzieren, dass die Frauen i.d.R. nicht haben.

Urteile, die einem total zerstrittenen, feindseligen Elternpaar zu gleichen Teilen das Kind oder die Kinder zusprechen, vernachlässigen schlicht das verhängnisvolle Thema der Gewalt, die schließlich nun immer noch weiter existiert.

Elterngerechtigkeit und Kindeswohl.

Elterngerechtigkeit sollte nicht über das Kindeswohl gestellt werden, meint die Pädagogik Professorin Sabine Walper als Direktorin des Deutschen Jugendinstitutes und wissenschaftlich Beiratsvorsitzende in etlichen Institutionen hierzu. Aber was bedeutet dieses Kindeswohl im Einzelnen ? Es fehlen ungemein viele Daten zur empirischen Forschung zwischen Recht und Verhalten.

Zu wenig Rechtsfolgen-Forschung ?

Der Kinderpsychiater Jörg Fegert von der Uni Ulm weist daraufhin, dass es einfach zu wenig Rechtsfolgen- Forschung gibt. Denn die Frage was nun Kindeswohl sei, ist wohl mehrschichtig zu beantworten. Keiner weiß bislang so recht, was mit unserer Gesetzgebung und Rechtsprechung in Kinderseelen angerichtet wird. Der Psychotherapeut und auch Beratungsstellen können hierzu leider sehr viel mehr  erzählen.

 

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