Die allgemeine Coronamüdigkeit öffnet quasi die Türe für nicht unbedingt effektive Verhaltensmuster : Eine ambivalente Gefühlslage entsteht, aus einer Mischung von Schuldgefühlen und gleichzeitiger Verweigerungshaltung : die Prokrastination. Das sich “ vor etwas Drücken“ oder Termine verbummeln oder mal Zeit vertrödeln, kennt wohl jeder. Dieses das mal wieder „nicht zu Potte kommen“, nicht fertig werden, alles auf Morgen zu verschieben ebenso.
Umgangssprachlich ausgedrückt ist von der Aufschieberitis die Rede. Im pathologischen Verständnis weiß man allerdings einiges über die schwierigen Begleitumstände dieses Verhaltens. Einerseits existiert eine erschöpfende Orientierungslosigkeit. Andererseits kann Selbstdisziplin und ein gutes Selbstmanagement die Prokrastination verhindern. In einem Coaching können dazu hilfreiche Strategien vermittelt werden.
Prokrastination und wachsende Orienterungslosigkeit ?
Wer hat damit nicht auch mal zu kämpfen : ein Beginnen und der Start wird ständig vertagt. Natürlich gibt es dabei immer wieder auch Unterbrechungen, die interessanter sind, als das gerade zu bearbeitende Projekt oder die Aufgabe. Auf so einem Schreibtisch – wie unten abgebildet – etwas zu finden, ist vermutlich ziemlich schwierig und total ineffektiv. Die Aufschieberitis kann tatsächlich zu einer ernstzunehmenden Arbeitsstörung mutieren.
Burnout und Prokrastination.
Ein Burnout zeigt sich vor allem mit ineffektiven Bewältigungsstilen bei Konflikten oder in Problemsituationen. Prokrastination ist recht lösungsfeindlich. Nicht selten steckt die tiefe, lähmende Angst und ein Zwang dahinter, vielleicht entscheidende Handlungfehler vermeiden zu müssen. Einerseits neigt man zur Prokratination und damit zum Aussitzen und Unsichtbar Machen. Andererseits leidet man aber auch häufig irgendwann dann genau darunter.
Dieses ständige, unschlüssige Verschieben oder Herauszögern von Entscheidungen und damit Zielsetzungen, bremst innovatives und kreatives Handeln ungemein aus. Es ist zudem ziemlich teamfeindlich. Ineffiktivität stört schliesslich Projekte und Abläufe und unterbindet die notwendige Planungssicherheit. Und genau dies sind Burnout-Trigger, welche mit Prokrastination in eine pathologische Allianz gehen können.
Prokrastination und Burnout ergänzen sich somit ziemlich unselig. Akademische Laufbahnen und berufliche Tätigkeiten und sämtliche Alltagsaktivitäten sind durch die Aufschieberitis gefährdet. Ebenso natürlich Paar- Beziehungen und Familiensysteme.
Corona ist mit Sicherheit ein übler Verstärker des Phänomens. Andererseits wurde aber auch selten soviel in Haus, Garten, Balkon oder Wohnung gewerkelt. Baustellen nehmen sichtbar im Straßenbild zu. Sperrmüll aus dem Keller und Garagen wurde ebenso häufig entsorgt. Auch die zu vollen Schränke geleert. Immerhin kann man sich so in Pandemiezeiten mal ein Erfolgserlebnis schaffen. Und aktiv gegen die eigene Prokrastination angehen.
Therapie und Coaching.
Betroffene Menschen sind oft schnell ablenkbar, nicht selten dauererschöpft ohne es selbst wahrzunehmen, bis sie ernsthaft erkranken.
Menschen, die an pathologischer Prokrastination leiden, sind häufig unkonzentriert und wenig fokussiert. Zudem leiden viele Menschen mit dieser Symptomatik oft auch unter ihrem eigenen Verhalten – insbesondere in diesen Corona-Zeiten – einsam vor sich hin. Tatsächlich gibt es zudem Schnittstellen zum Messie-Verhalten.
Menschen mit Prokrastinations- Reaktionen sind häufig auch nicht so belastbar, als es den Anschein hat. Sie sind schnell am Limit. Hier kommt der Begriff des Burnout als Erschöpfungsdepression ins Spiel. Und Therapie und Coaching werden dazu entsprechend in meiner Praxis angefragt !
Entscheidungsschwäche und Ineffektivität durch Prokrastination
Nur unter Druck werden schliesslich irgendwann dann doch mal Ergebnisse erzielt. Doktorarbeiten werden endlich abgeschlossen oder die entscheidende letzte Prüfung gemacht.Endlich das Angebot geschrieben ! Oder die Habilitation abgeschlossen.
Manchmal werden unter Druck aber auch fragwürdige Entscheidungen getroffen. Das stresst ungemein! Und zwar nicht nur die Person selbst, sondern auch deren gesamte berufliche und private Umgebung, mit all ihren sozialen Vernetzungen und Beziehungen. Alle und alles leidet unter dieser Ineffektivität. Zeigen sich begleitend persönlichkeitsspezifische passiv-aggressive Anteile im Verhalten, kann sich die Aufschieberitis weiter chronifizieren.
Eine besondere Form der Aufschieberitis : die Bedtime-Prokrastination
Vermutlich ist nicht nur jungen Eltern geläufig, dass ihre Kleinen das ins Bettgehen häufig gerne in die Länge ziehen. Bekanntlich würden die meisten kleinen Kinder es am liebsten immer weiter hinausschieben. Interessanterweise taucht diese Art von Bedtime- Prokrastination im Erwachsenenleben wieder auf. In Pandemiezeiten sogar verstärkt.Tatsächlich fallen nicht wenige Menschen aktuell genau in dieses Verhaltenmuster. Statt ins Bett zu gehen, wird der Tag immer weiter verlängert. Und das, obwohl man doch so müde ist und der Wecker morgens genadenlos klingelt.
Warum Bedtime-Prokrastination gerade in Coronazeiten ?
Mit den Corona-Einschränkungen der persönlichen Rechte gewinnt gerade das kleine Zeitfenster in den Abend-und Nachtstunden an Wichtigkeit. Hier hat man zumindest noch Verfügungsgewalt und das fördert die Aufschieberitis beim Thema des Zu Bett gehens.
Meistens sind wir durch die Pandemie digital getaketet und fremdbestimmt. Auch noch nach Feierabend. So wird Instagram/Twitter/Facebook/Whatsapp als Erholung deklariert und das Tablet und Smartphone mit ins oder ans Bett genommen. Einerseits um vielleicht doch noch wichtige Mails zu lesen, und den Arbeitstag damit weiter hinauszudehnen. Andererseits um vielleicht noch einen Thriller und Endlos- Serien auf Netflix&Co anzusehen. Oder Podcasts bis in die tiefe Nacht zu hören.
Ruhephasen werden deutlich minimiert.
Wir verschieben unsere Ruhephasen immer weiter nach hinten. Es wird zunehmend später und damit auch schwieriger einzuschlafen. Zu sehr agitieren uns die hereinflutenden Informationen und unser vegetatives System kann tatsächlich nicht abschalten. Daß die Schlafqualität unter all dem leidet, ist nachvollziehbar. Wir verschenken durch die Bedtime-Aufschieberitis wertvolle Zeit, um Körper und Seele auf die Ruhe und den Schlaf vorzubereiten.Wir schlafen neben dem Smartpone ein und wachen wieder damit auf.
Und das Einführen einer Zu-Bett-Geh-Routine ?
Eigentlich geht es ja nicht um das Schlafen, sondern um das vorherige Procedere. Niederländische Schlafexpert*innen ( u.a. Floor Kroese ) fanden bereits 2014 heraus, dass alle Menschen zwar gerne Schlafen, aber durchaus oft einen Unwillen haben sich auszuziehen, zu waschen, Zähne zu putzen usw. Die ganze Zu Bett-Geh- Routine ruft wohl zu Widerstand auf. Trotz zufallender Augen, wird weiter auf der Couch oder auf der Bettkante oder bereits im Bett gesessen und auf Phone und Tablet bis zum Abwinken gesrollt.
Eigentlich weiß der gesunde Menschenverstand, dass weder Handy noch Tablet ins Schlafzimmer gehören,und gedämpftes Licht und wenig Reize schlafbegünstigend sind. Die Furcht etwas zu verpassen ist wohl größer, als der Wunsch nach Erholung und Abstand zum Tag zu finden.
Ich habe auf meinem täglichen Weg in die Praxis neulich einen Werbeslogan der Aachener Fachhochschule mal ganz bewusst gelesen. Der Werbeslogan verkündet aktuell : “ Wissen ist Silber, Handeln ist Gold.“ Mit anderen Worten : Raus aus der Corona-Depression und hinein in eine durchaus gestaltbare Zukunft, mit neuen Impulsen, Mut, Zuversicht und Hoffnung ! Auch wenn wir wohl alle mehr oder weniger unter der Zoom- Erschöpfung oder Facetime- Müdigkeit und Pandemie-Depression leiden , so können wir doch auf die Impferfolge der Zukunft hoffen, die uns wieder Freiheiten zurückbringen werden.