Die Suche nach Ordnung im Chaos :  das „Messie“- Syndrom  

Die Suche nach Ordnung im Chaos :  das „Messie“- Syndrom  

Der Messie:  im Chaos  und kompletter Vermüllung versinken

Können Sie sich vorstellen, dass  Ihre überaus penible und sorgfältig arbeitende Kollegin oder der als sehr genau berüchtigte Abteilungsleiter privat im Chaos versinken ? Bei den betroffenen Menschen, die unter dem „Messie-Syndrom“ leiden und mit ihnen dann auch oft die direkte Umgebung und Umwelt, spielt sich das Chaos nur im privaten Feld ab.

Es fällt Menschen  mit Messie-Syndrom unglaublich schwer  Ordnung zu halten. Sie schaffen dies weder räumlich noch zeitlich. Nun könnte man behaupten: „ Ja, mein Gott, soll er oder sie einfach mal aufräumen,“ aber genau da liegt das Problem : Ein Messie kann nur schwer zwischen nützlichen und unnützen Dingen unterscheiden, und sich auch schlecht entscheiden etwas wegzuwerfen, was bis zur kompletten Vermüllung  führen kann. 

Peinliche Unordnung und Müll- Chaos werden zur tabuisierten Katastrophe.

Das Hauptproblem des Messie ist, dass privat  das Chaos und damit die Unordnung regiert , und so kann man das Wort „Messie“ aus dem englischen auch übersetzen.  Dass ein Messie keine  Zeitabsprachen  oder gewisse Regeln  und  keinerlei Ordnung  privat einhalten kann und dazu alles sammelt, was ihm oder ihr in den Weg kommt, fördert noch andere Zwänge, wie zum Beispiel die Kaufsucht. Dies kann bis zum Offenbarungseid  und totaler  Verschuldung führen.  Dann  stapelt sich bald alles, teilweise noch nie ausgepackt, irgendwann nur noch  in Kellerräumen, Garagen oder oft auch  im Schlafzimmer, dass dann bald nicht mehr bewohnbar wird, weil das Bett nicht mehr zu finden ist.

Die Dynamik des Messieverhaltens

Die heillose Unordnung als leitende Dynamik des Messie-Verhaltens, schafft einen besonderen, privaten Raum, in dem sich ein Chaos-Messie sicher fühlt. Das heisst : nur wo er oder sie sich auskennt und keiner sonst, fühlt er sich sicher,macht ihm eher Ordnung Angst und deshalb will und kann er oft auch nichts am chaotischen Zustand spontan etwas verändern.

Das bekannte Chaos gibt dem Messie eine (scheinbar) vertraute Sicherheit. 

Einem Messie sieht man sehr lange selten an, dass er so gestrickt ist. Denn die Unordnung zu Hause wird zur geheimen und peinlichen, am besten zu verschweigenden und tabuisierten  Katastrophe. Insofern ist nur folgerichtig, dass sich ein  Messie zunehmend von der Umwelt abschottet.  Aber : das bekannte Chaos gibt dem Messie hier eine (scheinbare ) vertraute Sicherheit. Unangekündigte, spontane Besuche bringen hier Unruhe, Scham und Ängste  hinein.

Messieverhalten in Verbindung mit Drogen…Alkohol

Wird das Messieverhalten unglücklicherweise noch alkohol-oder allgemein drogenunterstützt, kann alles noch schneller unerträglicher für die Mitwelt, Nachbarn oder  Verwandte werden.  Wenn überhaupt dann Blicke in das chaotische Durcheinander geworfen werden können, zeigen sich hier manche Messie- Schlafzimmer nicht nur übersät mit Mülltüten, die alle befüllt sind. Auch in anderen Räumen herrscht unüberschaubares Durcheinander.

Im Wohnzimmer stapeln sich irgendwann deckenhoch in den Ecken oder auf Treppenstufen  Zeitungen oder Bücher. Müll und leere Flaschen  wurde schon länger nicht mehr sortiert und auch nicht weggebracht, sondern ebenfalls weiter irgendwo hingestellt. Laufflächen sind in einer solchen Wohnung Mangelware, vom Geruch mal ganz abgesehen, eben ähnlich einer Müllhalde.

Für Vermieter ist ein Messiehaushalt ein kostenaufwendiger Horrortrip.

Ein solches Vergammeln von Wohnraum führt dann auch zum notwendigen Eingreifen von Behörden. Oft sind es die hygienischen Zustände und Gerüche, die irgendwann so unhaltbar werden, dass Zwangsräumungen, und  nachher tätige  Kammerjäger, sicherlich einiges Unappetitliches darüber berichten könnten. Für Vermieter ist ein Messiehaushalt daher  ein kostenaufwendiger  Horrortrip und ein großer Schaden.

Meist Singles in Messie-Haushalten

Manchmal kommt aber auch der Schornsteinfeger oder sonstige öffentliche Kontrolleure, Strom- und Gas-und Wasserableser und brauchen auch in einer Messiewohnung Zutritt. Meist wird dann nur soviel freigeräumt, wie gerade nötig iwird, um Durchzukommen.

Natürlich ist nachvollziehbar, dass eine Beziehung mit einem Messie fast unmöglich ist, es sei denn, es treffen zwei aufeinander und einigen sich irgendwie im doppelten Chaos. Aber es ist nicht gerade gemütlich in einem Messiehaushalt zu wohnen. Und so trifft man hier auch meist mehr Singles oder Alleinlebende als Paare an.

Die vier Messie-Arten

  • Der „Zeit – Messie „
    Man kennt aus der Praxis den sogenannten Zeit-Messie, der keinerlei Zeitgefühl besitzt und auch die wichtigsten privaten Termine vertrödelt,vergisst,vergammelt, sie also immer wieder versäumt, mit manchmal erheblichen mitmenschlichen und materiellen Folgen. Unser tägliches Leben läuft real auch im privaten sehr durchplant und zeitgetacktet ab. Ein  Zeit-Messie entzieht sich dieser Routine permanent.
  • Der „ Sammel-Messie“ kann einfach nichts wegwerfen, muss alles aufheben und hier trifft man auch durchaus zusätzlich nicht selten auf einen Kaufzwang.
    Dem „Chaos-Messie“ ist erstaunlicherweise auch nach aussen lange kaum etwas anzumerken. Hier ertrinkt der betroffene Mensch quasi irgendwann im selbst gemachten privaten Müll . Für alle Messies  gilt : Aufräumen wird immer zur Qual und macht Angst.  Alles muß bleiben  wie es ist !  
  • „Der Papier-Messie“ ist ein Mensch, der grundsätzlich jedes Schriftstück völlig unterschiedlos- ob privat oder amtlich- aufheben muss. So findet man neben Werbeaktionen und Verpackungen wichtige Behördenschreiben- oft ungeöffnet- unter oder neben Stapeln von Zeitungen oder Papiertüten usw. Das kann verhängnisvolle Folgen haben.
    Mancher Messie verfügt gleich über alle vier beschriebenen Chaos-Phänomene, was ihn privat schliesslich völlig isoliert und verslumen lässt, was dann oft auch den sozialen Abstieg bedeutet.

Therapie für Messies ? Oder eher Lebensbewältigung und Begleitung durch andere betroffene Messies ?

Eine ernsthafte depressive Erkrankung oder eine begleitende andere schwere Suchterkrankung in Verbindung mit Messieverhalten, gehört immer in psychologische bzw.psychiatrische Fachhände. Mitarbeiter von Sozialämtern oder freien Wohlfahrtsverbänden mit ihren pädagogischen Familienhilfs-und Betreuungsmaßnahmen sind bei Messies nicht selten überfordert . Daher glaube  ich, dass  eine Begleitung  durch „ehemalige“ Messies  erfolgreich sein kann.

Es ist  für Ex-Messies vermutlich einfacher, sich  geduldig mit den Betroffenen  einen Weg durch deren“Müll-Berge“ zu bahnen.  Letztlich geht es doch  um‘s  Anpacken, Ordnen, Sortieren, und in erster Linie um das Entscheiden und Aufräumen.

In zweiter Linie geht es um Therapie. Daher finde ich  ortsansässige Selbsthilfe-Initiativen grundsätzlich  hilfreicher bei der Messieproblematik, als  größere ( behördliche), oder psychotherapeutische oder auch  pädagische Geschütze aufzufahren. Mit einer Ausnahme : wenn echte Vermüllung oder Verwahrlosung  droht.

Messies sind  manchmal auch „verhinderte“ Perfektionisten 

Messies leiden in den meisten Fällen unter dem Kern- Problem, sich nicht entscheiden zu können. Prioritäten setzen fällt daher sehr schwer. Da werden schon mal die Fugen im Badezimmer mit der Zahnbürste geputzt, während das Klo im Schmodder versinkt.

Auch so was sieht man in einem Messie- Haushalt. Auf ihre Art sind Messies verhinderte  Perfektionisten und kennen in vielen Dingen nur das Extrem. Für die meisten Messies ist es aber eine fast schon körperlich spürbare Erleicherung, wenn sie Hilfe bekommen, die Grund schafft und Ordnung wieder herstellt, ohne mit der Dampfwalze durch die Wohnung zu gehen. Sachkundige Begleiter werfen niemals weg, was der Betroffene  behalten will. Tatsächlich gibt es in manchen Messie-Haushalten auch im Chaos gewisse Zuordnungen und eine Art Logik,die sich allerdings keinem Aussenstehenden spontan erschliessen kann.

Zwangsreinigung im Messiehaushalt und begleitete Aufräumaktionen.

Ein Messie, der etwas verändern und alles plötzlich blitzblank haben will, setzt sich ( meist ) damit unter einen so großen Druck, dass das Projekt geradezu scheitern muß. Statt  Stück für Stück konstant und mit Pausen zu räumen und zu säubern, wird dann doch schliesslich resigniert und  schambehaftet  gleich  alles ganz gelassen. Die behördlich angeordnete„Zwangsreinigung“  im Messiehaushalt dient nicht als therapeutischer Ansatz, denn Therapie basiert eher auf der Freiwilligkeit. Und davon ist ja dann keine Rede mehr.

Wird ein Messie von Behördenmitarbeitern  (Sozialarbeitern,Sozialpädagogen) begleitet, ist schnell bemerkbar, dass sich oft Sauberkeits-und Ordnungsziele gesetzt werden, die realistisch nicht zu schaffen sind.

Die aufzuwendene Energie, Ausdauer und der notwendige Zeiteinsatz bei solchen „begleiteten Aufräumaktionen“, sind immer eine große Herausforderung für einen Messie, aber ebenso auch  für den  sychologisch-sozialpädagogischen Begleiter.

Sachdienliche Hinweise für Messies in der Region

Hier ist als erster sachdienlicher Hinweis  für die Region Aachen und Umgebung der Sozialpsychiatrische Dienst des jeweiligen Gesundheitsamtes der Städteregion zu nennen. Hier sind Anlaufstellen für Adressen von Selbsthilfegruppen für Messies bekannt.  Auch die Volkshochschule, als Aachener Kontakt-und Informationsstelle für Selbsthilfe (0241 4792-240), kann Auskunft geben und diskret vermitteln helfen.

Ebenfalls kann der Paritätische Wohlfahrtsverband, Nordrhein-Westfalen, beraten und Ansprechpartner nennen.

Und schliesslich  gibt es noch mögliche Hilfe bei ALI : Aachener Laienhelfer-Initiative : http://www.ali-ev-aachen.de/home/ und den Förderverein Eschweiler,zuständig auch für Stolberg und Umgebung.

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