Das Phänomen des toxischen Optimismus beschreibt Menschen, die zwanghaft das ausschließlich Positive suchen. Negative Gedanken und Gefühle müssen daher ständig unterdrückt werden. Und das trotz Ukrainekrieg, Klimakrise oder Pandemie oder Beziehungskrisen.
Natürlich ist bekannt dass optimistische Menschen recht gut durch ihr Leben kommen. Optimistische Menschen haben es im Leben wesentlich einfacher als mürrische und ständig negativierende Zweifler. Laut Studien leben Optimisten übrigens nachweislich länger als Pessimisten. Optimismus ist in gesunden Grenzen ein wunderbarer Motivator.
Toxischer Optimismus und damit toxische Positivität ?
Die sprachlichen Grenzen zwischen Optimismus und toxischer Positivität sind allerdings recht fließend. Es macht ja Sinn, das Leben auch mal von der positiven Seite zu betrachten. Problematisch wird es wenn dies ausschließlich und eher zwanghaft geschieht.. Denn die Schattenseiten haben auch ihre Berechtigung, um sonnige Seiten überhaupt schätzen zu lernen. Unangebracht und in unpassender Situation gleicht toxischer Positivismus jedoch einer emotionale Ohrfeige, die im wohlwollenden „Glücksbärchen- Modus verabreicht wird.
Von wegen: „Alles wird gut“.
Jeder kennt diesen Satz der trösten soll, es aber meist gar nicht tut : “Alles wird gut !“ In Wahrheit beinhaltet diese Aussage tatsächlich so eine Art emotionale Ohrfeige. Denn im” Alles wird gut “, steckt einerseits eine Behauptung, die das Problem wohlmeinend klein redet und es andererseits wieder damit an den Betroffenen zurückgibt. Der soll sein Ding gefälligst möglichst alleine machen, nach dem Motto: „Lass mich doch in Ruh !“ So kann die zwanghaft gute Laune beibehalten und nur die eigene Realität wahrgenommen werden.
Pseudoemphatische Äußerungen entlarven den Aussprechenden allerdings schnell als jemand, der sich nicht so ganz auf die Wirklichkeit und sein Gegenüber einlassen will. Grundsätzlich werden positive Glaubenssätze in die Welt posaunt, und Phrasen eingesetzt. Emotional ist dabei wenig wirkliche Beteiligung zu verzeichnen, weil zwanghafter Positivismus nur den eigenen, überdrehten Optimismus puscht.
Ätzende Momente und schwierige Phasen gehören zum Leben einfach dazu. Warum sie nicht als solche deutlich benennen und stattdessen diesen Klassiker rauszuhauen : “ Alles wird gut !” Das ist wirklich nicht ernst zu nehmen, sondern eine reine Abwehrmaßnahme.
Emotionale Ohrfeige Nr.1.
Dummerweise haben wir alle ab und an typische, toxische Ansagen und Glaubenssätze verinnerlicht. Mich persönlich macht der Satz:: „Es gibt schließlich Schlimmeres,” manchmal ziemlich sauer. Also wenn ich nur den Fuß, nicht aber das Bein gebrochen habe, tröstet mich so ein Satz gar nicht. Andererseits kann es manchmal mich auch tatsächlich kurz selbst trösten, wenn wirklich alles über einem zusammenbricht. Genau das nennt man dann, sich in zu Resilienz üben !
Aber ein nicht angebrachter Satz: “Es gibt Schlimmeres”, unterstellt – oft total unbewusst – dem Gegenüber, sich nur anzustellen. Das Empfinden von Leid ist bekanntlich eine höchst subjektive Angelegenheit. Machen wir uns klar, dass es unglaublich schwer ist wirklich nachzuempfinden. was andere Menschen empfinden.
Emotionale Ohrfeige Nr.2
Es ist graue Theorie auch einen Schicksalsschlag positiv sehen zu können. Denn wenn wir einen geliebten Menschen verloren haben, hilft das : “Sehe doch mal dass es noch Positives gibt ” überhaupt nicht. Darüber hinaus fühlt es sich enorm zynisch und wenig hilfreich an. Gut gemeint, aber voll daneben. Denn verdrängte negative Gefühle und Gedanken poppen schliesslich einfach wieder hoch und zwar nun mit oder ohne Kommentar.
Zwangsverpflichtet positiv zu denken, bringt also wirklich nichts. Eher : “ Ich merke dir gerade an, wie du leidest.“ Oder : “Ich bin für dich da und höre dir jetzt gerne zu”. Das wäre zumindest ein hilfreicher Ansatz, statt toxische Positivität zu verbreiten und sich damit alles nur vom eigenen Leib zu halten.
Emotionale Ohrfeige Nr.3
Kennen Sie ihn auch diesen Satz: “ Also, ich weiß jetzt genau wie es dir gerade damit geht ! Das Problem dabei ist : Wir sprechen gerne priorisiert dabei nur über unsere eigenen Erfahrungen. Dabei checken wir meist nicht, wie wenig das unser Gegenüber tröstet. Wer ständig nur um sich selbst kreist. sieht sich eben auch nur selbst als Nabel der Welt.
Emotionale Ohrfeige Nr.4
“Ach denk doch einfach nicht mehr drüber nach !” Dieser Satz ist an toxischer Positivität kaum zu überbieten. Meist werden dann noch Vorschläge gemacht, lieber ans Meer zu fahren oder mal Wellness zu machen. Als wäre es so einfach den Vergessen-Modus zu drücken.
In Wahrheit entlarvt sich diese (r )Ratgeber*in ebenfalls als ziemlich uninteressiert. Diese Wirkung sollen toxisch positive Menschen häufig haben. Verständlich ist dabei, dass das mühsam versteckte Desinteresse schlimmstenfalls zur Isolation und Einsamkeit führen kann. „Und was kann ich für dich jetzt tun ?”, wäre eine authentischere Reaktion auf das Befinden des Gegenübers. Das reine Zuhören ohne sofort mit Pseudolösungen anzurücken, ist ebenfalls sehr hilfreich
Emotionale Ohrfeige Nr.5
Der toxisch positive Satz : “ Wer weiß wofür das jetzt auch gut ist”, ist absolut destruktiv für einen Menschen, der im tiefsten Krisental steckt. Der fühlt sich nicht angenommen, sondern extrem weggedrückt. Der dahinter steckende Fatalismus hilft rein gar nichts, nur dem, der diesen Abwehrmechanismen kultiviert. Auf das Schicksal können wir ziemlich alles schieben. Was natürlich keinen Sinn macht.
Emotionale Ohrfeige Nr.6
Besonders perfide ist die Sichtweise :” Selber schuld”, …hättest du doch und würdest du nicht. Damit wird suggeriert,dass( gefälligst) mit der richtigen Einstellung alles meisterhaft zu wuppen ist.
Ja, natürlich können wir unsere Denkweisen verändern. Darauf baue ich als Therapeutin tagtäglich. Doch meistens gelingt das eben nach den Krisen und nicht mitten drin. Vieles spielt dabei eine Rolle, ob wir diese toxische „Selbst- schuld“ – Ohrfeige an uns ranlassen. Im Prinzip ist das besonders übergriffig. Ein strategisches Schweigen an dieser Stelle ist für Betroffene hier absolut empfehlenswert.
Emotionale Ohrfeige Nr.7
“Scheitern ist gestrichen!” Dieser toxische Glaubenssatz erklärt sich ja schon von selbst. Wer sich keine Fehler erlaubt und immer alles nur perfekt machen möchte, und auch keine Tiefs aushält, ist sich selbst ziemlich ausgeliefert. Der Schaden ist größer als der Nutzen! Das ist dann kein Mutmachen ! Unreflektiert geäußerte Phrasen mach eher Druck statt Mut ! Abgesehen davon sollte Scheitern wirklich unbedingt erlaubt sein.
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