Das Hochstapler-Syndrom

Das Hochstapler-Syndrom

Insbesondere erfolgreiche Frauen hinterfragen häufig ihre Leistungsfähigkeit. Sie trauen sich insgeheim weniger zu als ihre reale Umwelt es tut. Lieblingswort ist „eigentlich“ ! Man könnte es auch als eine Art Luxusproblem bezeichnen. Denn immerhin ist die gezeigte Bescheidenheit „angelernt“ und wird lebenslang kultiviert. Natürlich sind die Anderen dabei immer schlauer, cleverer oder smarter als man selbst.

Im Fachdeutsch spricht man synonym auch vom  Impostor Syndrom. Tatsächlich fühlen sich Betroffene einerseits oft wie Hochstapler. Andererseits entwickeln sie sich häufig dadurch zum angstbesetzten Tiefstapler. Bereits der Fachbegriff des  Hochstapler-Syndroms führt etwas in die Irre. Denn es gibt eigentlich gar kein Syndrom:  „Es handelt sich nicht um eine Störung oder Krankheit, sondern um ein Persönlichkeitsmerkmal“. (Psychologie -Professorin Sonja Rohrmann, Uni Frankfurt ). In diesem Sinne will ich die Begrifflichkeit auch verstanden wissen.

Der ( neurotische) Nutzen des Hochstapler- Syndroms ?

Es verbraucht ziemlich viel seelische Kraft um gegen alle jene Anderen anzutreten, welche vermeintlich klüger oder attraktiver sind als man selbst. Die äußere Fassade muss schließlich dabei unbedingt aufrecht erhalten bleiben. Genau das ist der neurotische Nutzen des Hochstapler-  bzw. des Impostor- Syndroms. Es kann schlimmstenfalls zum totalen Perfektionismus bis hin zur Selbstverleugnung und Selbstausbeutung führen !  Dieses anstrengende Selbstbild muss ständig gefüttert werden.Und genau das wiederum macht anfällig für eine Arbeitssucht. Diese hat oft Drogen wie Alkohol, Medikamente und Süchte aller Art im Gepäck. Zielbahnhof ist hier dann nicht selten ein Burnout und eine ihn  oft begleitende Depression.  

Narzisstische Aspekte und Persönlichkeitsmerkmale beim Impostor-Syndrom.
Sind narzisstische Aspekte in die Persönlichkeitsstruktur eingebettet, schwanken  Betroffene häufig zwischen eigener Auf – und Abwertung hin und her. Ist der eigene Narzissmus groß genug, entscheidet man(n) sich schließlich meist dafür, lieber das Gegenüber abzuwerten als sich selbst. Betroffene Menschen erkennen oft erst in der Therapie wie abwertend und beziehungsfeindlich ihr narzisstisches Verhalten gegenüber Partnern, Verwandten oder auch Kollegen real sein kann oder bereits ist.
 
Impostor-Syndrom
 
 
Und wen betriff das Impostor-Syndrom auch ?

Häufig betrifft das Hochstapler-Syndrom emotional labile, innerlich unsichere und nicht nur hoch introvertierte Menschen. Vor allem sind Menschen betroffen, die unfähig sind Nein zu sagen. Immer sind all jene betroffen, die es eigentlich allen recht machen wollen. Ständige Anspannung und emotionale Überforderung sind daher auch treue Begleiter.

Unsicherheit wird durch Perfektionismus überdeckt.

Keiner sollte  merken, wie schwer das Ganze manchmal fällt.  Und so lebt dieser Mensch zwanghaft und perfektionistisch in seinem tüchtigem Pseudo – Selbst mit seinem seelischen bzw. emotionalen Hochstapler-Syndrom. Ständig werden die anderen getäuscht. Selten fühlt man sich mit sich selbst im Reinen. Selbstreflexion wird möglichst gemieden, um den Betrug an sich selbst- und an den anderen- aufrecht erhalten zu können.

Persönlichkeitsmerkmale basieren auf frühen Rollenzuschreibungen.

Die Rollenzuschreibungen unserer Kindheit sind mächtige, unterschwellige und häufig nicht bewusste Mottos und Antreiber. Sie tragen zur Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen und damit auch Verhaltensweisen bei. Verhaltensweisen wie besonders verträglich zu sein, lieb, sozial und zugewandt. Schon in der Kindheit prägt das Label, als der oder die Intelligenteste zu gelten. Oder immer galt man schon als die Sympatischste oder der/die Charmanteste in der Familie. Oder vielleicht auch als der oder die Sportlichste oder gar Hübscheste, Stillste oder Bescheidenste in  Familie, im Freundeskreis oder in der Clique.

In der Therapie begegnet sich schließlich manche (r )Klient*in dann diesen alten Rollen., alten Mustern und Masken. Hier folgt spätestens die Erkenntnis, dass einige dieser Muster und „Masken“ überholt sind und nicht mehr in das reife  Erwachsenen-Dasein passen. Dieser Erkenntnisschritt öffnet den Weg zu Musteränderungen und Ziel jeder Therapie.

Maske

Aber auch negative Zuschreibungen und das Label als schwarzes Schaf, überlebt oft Jahrzehnte bis zum Lebensende. Solche Rollenzuschreibungen verstärken ebenfalls ein Hochstapler-Syndrom. Innen und Außen driften hier oft völlig auseinander. Das erzeugt Ängste und Zwänge, die geheim gehalten werden müssen ! Tatsächlich kommt kaum einer von außen auf die Idee, wie unsicher der oder die Kollegin oder das Familienmitglied in Wirklichkeit ist.

Der betroffene Mensch weiß es oftmals selbst nicht mehr. Spürt aber unterschwellig, dass es Kraft kostet, gegen die alten Schatten und Rollenzuschreibungen anzukämpfen. Die negativen Muster sollen nicht immer aufs Neue bedient werden. Therapie kratzt somit auch etwas an der äußeren Fassade bis tief ins innere Mauerwerk der Persönlichkeit.

Die soziale Rolle und Position der Kindheit klebt oftmals sehr intensiv am Menschen fest.

Der Tiefenpsychologe und Psychoanalytiker  Alfred Adler betonte bereits die Wichtigkeit der Familienatmosphäre in der Menschen aufwachsen. Auch die Geschwisterkonstellation mit bestimmten Rangordnungen werden erwähnt, die vielfach unreflektiert und unbeweglich, wie erstarrt, weiter gelebt werden. In diesem Zusammenhang wird in der Therapie auch häufig das Gefühl geschildert nicht oder nie zu genügen oder sich ständig in Konkurrenz zu fühlen.

Die Glaubenssätze der Kindheit kleben oftmals sehr intensiv am Menschen fest. Andererseits kann der Mensch – so Alfred Adler- lebenslang Lernen, Entscheidungen treffen und sein Verhalten neu anpassen, was bei neurotischen Verhaltensmustern aber  sehr schwierig ist und immer eine Therapie auf den Plan ruft.

Familiäre Leistungsansprüche prägen die Persönlichkeit!

Vielfach herrschen in Familien hohe Leistungsansprüche. Der eigene Wert wird dann eben nur über die Leistung definiert. Das ist absolut prägend für die Persönlichkeit. In der Tiefenpsychologie nach Alfred Adler wird u.a. die menschliche Kompensationsfähigkeit angeblicher oder tatsächlicher Unzulänglichkeiten und entsprechender Minderwertigkeitsgefühle thematisiert.

Wir sind jedoch in der Lage reflektierende Selbst-und Fremdwahrnehmung zu fühlen und zu managen. Gesteuert über unser Unterbewusstsein und motiviert durch ständiges, lebenslanges Lernen. Wir müssen uns schließlich auch ständig entscheiden . Ja oder Nein zu  sagen und damit unsere Erfahrungen machen.

Traumatherapie

Das Umfeld nimmt alles sowieso ganz anders wahr als der Betroffene.

Sich unterschwellig wie ein Betrüger oder Hochstapler fühlen ist sehr anstrengend. Aber gut zu wissen, dass das Umfeld immer sowieso alles ganz anders wahr nimmt als man selbst. Daher ist es ist sehr wichtig, sich ein ehrliches u offenes Feedback vom Gegenüber zu holen. Klärendes Nachfragen kann belastende Gefühle und Situationen immer relativieren. Dies gilt als Lerneffekt in der Einzeltherapie ebenso wie in der Paartherapie.

Überforderung kann ebenso wie Unterforderung große  Entmutigung und depressive Verstimmungen und Burnout erzeugen. Immer wenn Kreativität und Leistungsfähigkeit durch zu viel Perfektionismus gestört werden, erschöpft sich der Mensch sehr schnell.

Schlusswort mit Therapie-Ideen !

In der Therapie kann es durchaus hilfreich sein zu lernen, dass man den eigenen Selbstzweifel annehmen kann. Denn dieser ist  total gesund und normal und sollte nicht zur neurotischen Qual werden. Zudem ist therapeutisch zu klären, welche Position der betroffene Mensch im Leben gerne hat erreichen wollen und was die Realität tatsächlich hergibt.

Nicht selten wird hier das Gefühl geschildert, immer vergebens hinterher gerannt und überholt worden zu sein, und nicht gesehen zu werden. Und es wird oft  geschildert , immer die eigenen Bedürfnisse unterdrückt zu haben.

Entspricht es dem individuellen Kindheitsmotto zudem immer unbedingt der oder die Beste, die Liebste, die Attraktivste oder die Klügste sein zu müssen, ist Vorsicht vor Impostor-Gefühlen geboten. Auch alles möglichst leichtfüßig zu bewältigen, nur um geliebt zu werden, bringt als Erwachsener einfach nur neurotischen Stress und macht sehr krank.

 

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