Untreue im Sex-Chat !

Untreue im Sex-Chat !

 

 Neulich rief mich ein junger Mann in der Praxis an. Er hatte bei einem Sex- Chat öfter Kontakt mit anderen Frauen und wurde dabei von der Freundin erwischt. Trotz aller Versprechungen rutschte er schnell wieder zurück in seine Untreue im Chat. Denn es war bereits eine verhängnisvolle Abhängigkeit entstanden.
 
Kaum Problembewusstsein.

„Aber ich bin doch real treu und nur virtuell unterwegs,“ argumentierte der Klient anfänglich noch sehr überzeugt. Von Problembewusstsein zunächst also keine Spur. Er beruhige nun vordergründig seine Freundin, indem er bei mir therapeutische Hilfe suche. Also hatte er kein Problem, sondern in seinen Augen nur die eifersüchtige Freundin !  Um sich seinem Blickwinkel anzunähern, ist es geschickt herauszufinden, was eigentlich den Reiz bei Sex-Chats ausmacht.

Wenn inzwischen immer mehr 3D-Brillen eine Rolle spielen, die eine eigene virtuelle Realität zeigen, sind wir auch bei Sex-Chats im Megatrend Metaverse im 3 D -Format angekommen. 

 

 

Was macht den Reiz überhaupt aus beim virtuellen Fremdgehen ?

In der Vorstellung und im virtuellen Raum gibt es kaum Grenzen und Tabus. Insofern können Chats und virtuelle Rollenspiele günstigstenfalls auch eine reale sexuelle Beziehung anheizen, ergänzen oder inspirieren. Problem ist dabei nur, dass aus einem anfänglich spielerischen Umgang ein Zwang werden, also eine Sucht entstehen kann. 

Chats gehen vom reinen Flirten bis zu hin erotischen Rollenspielen. Häufig geht es oft um eine erotische Geschichte und es bieten sich dafür unterschiedliche Charaktere an, in die man(n) oder Frau schlüpfen kann. Mal jemand anders zu sein, ist ein Reiz dem sowohl Männer wie Frauen erliegen. Es ist sicherlich auch eine Spur magisch sich in etwas wiederzufinden, was so fern der eigenen Realität ist, zumal die meist überhaupt nicht so spannend ist. So agieren viele Menschen zunehmend lieber in einem Chat als im wahren Leben.
 
 
 
 
 
Zwanghaftes virtuelles Suchtverhalten

Wenn der Chat den Alltag dominiert, wird es problematisch. Das kennt man auch bei zwanghaftem Pornokonsum. Dieser kann soviel absorbieren, dass essen, schlafen und Körperpflege vernachlässigt werden. Überproportional lange Chat- Zeiten beanspruchen schließlich immer mehr Lebens-und Beziehungszeit. Das Verlangen wird immer heftiger, während die Kontrolle immer kleiner wird.

Die Ursachen.

Wenn Sexualität als Kompensation benutzt wird, liegen häufig frühkindliche Erfahrungen wie Vernachlässigung, Abwertung, Ablehnung vor. Oftmals sind selbst grenzenlose oder maßlos lieblose Eltern nicht selten. Zwanghaftes Verhalten basiert also häufig auf in der Kindheit verankerten Problemen. Ebenso häufig also auch auf entsprechenden negativen “Vorbildern”.

Die Folgen.

Das Selbstwertgefühl hängt  im Laufe der Abhängigkeit immer mehr mit erfolgreichen Rollenspielen in Chat-Räumen zusammen.  Wenn sich ein Partner beziehungsfeindlich verhält, weil er oder sie sich ständig  heimlich in Sex-Chats bewegt, löst das enorme Kränkungen bei Partnern*innen aus. Und entsprechend schwierig wird es für den realen Partner, da er gegen den virtuellen Avatar oder Pseudopartner quasi in ständiger Konkurrenz antreten muss.

Offene Beziehung und weniger Grenzen ?

Wenn sich Paare darauf wirklich eindeutig geeinigt haben, Sex zeitgleich auch mit Anderen – einschließlich des virtuellen Raumes – zu praktizieren, muss es schon eine ziemlich abgeklärte Beziehung sein. Meine therapeutische Erfahrung mit diesen Modellen sieht allerdings eher die negativen Folgen. Monogamie wird ja nach wie vor als gesellschaftlich perfekte Lösung idealisiert .Alles was dazwischen liegt, gilt nach wie vor als anfechtbar oder moralisch ziemlich verwerflich. Monogamie gilt als alternativloses , da akzeptiertes Gesellschaftsmodell.

Aber je nachdem wie Paare oder Partner ihre eigene Sozialisation erlebt haben, kommt nur die klassische monogame Beziehung infrage. Hier werden intensive individuelle Gefühle ausgetauscht und ein WIR-Gefühl aufgebaut. Für andere dagegen bietet sich die Polyamorie also Sex und Sinnlichkeit in einer offenen Beziehung an, das partnerschaftliche Einverständnis dabei vorausgesetzt . Das Thema Treue wird also hier nicht im ursprünglichen Sinne definiert und verschwindet.

Bindungsunsichere Partner bevorzugen Polyamorie.

Nicht mehr nur ausschließlich mit einem Partner Sexualität und emotionale Liebe zu leben, rückt in einer Polyamorie-Beziehung in den Hintergrund. Das Unverbindliche ist hier wichtiger ! Bindungsunsichere Menschen suchen laut Studien eher ihr Glück in Polyamorie- Beziehungen.

Zurück zum Fallbeispiel : Ist ein Sex – Chat nun schon Untreue ?

 Virtuelles heimliches Sexchatten wird nach wie vor als Verstoß gegen die dominierende Monogamie- Moral empfunden. Andererseits berichten Frauen oder Männer in der Therapie, wie sehr sie darunter gelitten haben, nicht mehr die Nummer eins für den Partner zu sein. Die Bevorzugung eines virtuellen Partners ist immer ungemein kränkend und abwertend. 

Was sollte die Messlatte für Grenzen sein ? 
Grenzen werden logischerweise von jenem Partner gefordert, der weniger erlauben will und entsprechend verletzlicher ist. Jedes Paar definiert i.d.R. hier seine Grenzen und diese sind dann die Messlatte für die emotionale und schließlich auch sexuelle Treue. Wird ein Partner bei einem Sex- Chat erwischt, ist das erst mal ein großer Vertrauensbruch, denn nun sind eindeutig Grenzen überschritten worden. Nun kann tatsächlich auch hier von Untreue gesprochen werden.
 
Grenzverletzung und Vertrauensbrüche.

Werden Grenzen und Vereinbarungen überschritten, befindet sich das WIR – Gefühl und die gegenseitige Achtung im Sinkflug. Kontrollverhalten und Misstrauen des betrogenen Partners sind hier nun ständige Begleiter. Alles ist in Frage gestellt. Anstrengende Eifersucht und Misstrauen dominieren nun ! Unklarheiten sind jedoch für jede Beziehung „tödlich“. Fehlt einmal das Vertrauen, wird das virtuelle Fremdgehen übrigens auch als mangelnde Wertschätzung und große Respektlosigkeit empfunden.

Miteinander Reden

Wer sich Freiheiten außerhalb der Beziehung nehmen will, muss dies tatsächlich fairerweise kommunizieren. Es sollte Klarheit herrschen über Erlaubtes und entsprechende Grenzen. In einer Sexchat- Sucht wird aber genau diese klare Ansage vermieden und der Betrug ist dann eher akzeptabel, als sich der eigenen Abhängigkeit und asozialem, betrügerischen Verhalten zu stellen.

In der Einzeltherapie und Suchtberatung sollte dem Klienten klar werden, wie selbstzerstörerisch er sich verhält. Werden paartherapeutisch später die Partner*innen eingebunden, kann die Beziehung wieder aufgewertet werden. Und ebenso sollte klar werden, dass es tatsächlich noch andere Möglichkeiten gibt, um das eigene Selbstwertgefühl zu steigern. Mit einer zwanghaft genutzten virtuellen Sexualität gelingt das jedenfalls nicht.

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