Die Fähigkeit zur Empathie

Die Fähigkeit zur Empathie

Wer empathisch ist, kann sich gut in andere hineinversetzen, hat also ein hohes Einfühlungsvermögen. Empathische Menschen können auch die Körpersprache ihres Gegenübers gut  “lesen” :  Mimik und Gestik, aber auch die Intonation und der Tonfall, sagen immer etwas über die Gefühls- und Gedankenwelt von Menschen aus. Mit Empathie fällt es leichter Gedanken, Gefühle und Handlungen des anderen nachzuvollziehen und sich wertschätzend zu verhalten. Empathie gibt somit eine gewisse Sicherheit im Umgang mit anderen Menschen.  

 

Ist Empathie eigentlich trainierbar ?

Empathie ist eine absolut hochkomplexe Fähigkeit, die man zwar ansatzweise  verinnerlichen kann. Andererseits aber braucht es vor allem Geduld .Daher sind Trainingsversprechen sich in nur wenigen Tagen oder Wochen zu einem hoch empathischen Menschen zu entwickeln,  ziemlich unsolide und eher unrealistisch.

 Vorurteile bewusst beiseite schieben und Empathie wachsen lassen !

Wer  Menschen mit Vorurteilen begegnet, ist voreingenommen und wenig offen und kann dabei Wesentliches übersehen. Denn dieses fälschlich verinnerlichte Bild vom anderen trübt die Wahrnehmung ungemein und leider dann oft eher negativ. Offen auf Mitmenschen zuzugehen und vor allem möglichst ohne Vorurteile, ist somit eine gute Bedingung zur Entwicklung von  Empathie. Und das bedeutet die Beweggründe und das Verhalten von Mitmenschen und Sozialpartnern zu akzeptieren, ohne vorschnell moralisch zu bewerten und Stereotype zu bedienen.

Kommunikations- Kunststück : der kontrollierte Dialog !

Um andere zu verstehen und damit auch deren Entscheidungen und die Fragen nach dem Wie und Warum, erfordert ein Kommunikations-Kunststück. Denn schnell klingen Nachfragen etwas übergriffig oder sogar vorwurfsvoll. Interessiert und neugierig sein, ist die eine Sache. Die andere ist es, dass es auch für das Gegenüber passen sollte und Gesprächs- Bereitschaft signalisiert werden sollte.

 

 

Tatsächlich können Menschen die dialogisch miteinander reden, ziemlich viel übereinander erfahren. Meistens jedoch sind Menschen im ständigen inneren Monolog, auch während der andere noch seinen Teil vorbringt. Sobald die Gelegenheit da ist, muss dieser eigene Monolog dann heraus und verhindert damit oft den Dialog.

Paare, aber auch Teams reden nicht mehr so oft aneinander vorbei, wenn sie beispielsweise  aktives Zuhören lernen. Wenn sie den anderen Ausreden lassen!  Das kommt als Wertschätzung beim Gegenüber an. Und das ist dann ein kontrollierter Dialog.

 

Wer etwas über  seine eigenen Gefühle weiß, kann auch andere gut verstehen ! 

Diese Hypothese ist schnell belegbar. Denn ohne die Reflexion eigener Gefühle ist es praktisch unmöglich, die Gefühle und das Verhalten anderer einzuordnen. Einzeltherapeutisch geht es daher oft auch darum, eigene Gefühle wahrnehmen zu lernen, sie zu reflektieren und damit Auslöser für Konfliktsituationen zu erkennen. Und die typische sich hier anschließende Frage ist, was man nun in bestimmten Situationen meiden oder sogar manchmal triggern sollte, kann so vielleicht auch schon beantwortet werden : Immer bei den eigenen Gefühlen bleiben um die der anderen zu verstehen !  Insbesondere für Beziehungscoaching und Paar-und Sexualtherapie ist die Eigenreflexion von Wahrnehmung, Empathie und Kenntnisse über Projektionen auf das Gegenüber ungemein wichtig.

 

Grundvoraussetzung für Empathie : Selbstfürsorge

Anderen Menschen geht es ähnlich oder genauso wie uns selbst ! Emotionen ähneln sich. Aber natürlich haben wir recht unterschiedliche Bedürfnisse, die unsere Emotionen jeweils begleiten. Wesentlich ist hierbei, dass man gut für sich selbst sorgen kann. Denn genau das ist eine der Grundvoraussetzungen für Empathie. 

 

 Bewusstes Wahrnehmen erhöht die Fähigkeit zur Empathie !

Manche Menschen haben bereits einen sehr wachen Blick  für andere Menschen. Andere müssen ihn sich mühsam aneignen. Das bewusste Wahrnehmen, zum Beispiel, wie andere sich verhalten, ist dabei durchaus entscheidend für die Entwicklung von Empathiefähigkeit. Eine schlichte Verhaltens- Übung wäre, sich beispielsweise mal in ein Cafe zu setzen und dort bewusst die Menschen zu  beobachten. 

Worauf achtet denn ein(e) aufmerksame ( )r Beobachter*in ? Auf Verhaltensweisen, Stimme, Mimik, Gestik und auch Sprachduktus. Denn die Körpersprache verrät aufmerksamen Beobachtern einiges. Wie begrüßt und verabschiedet man sich ? 

 

 

Mit einigem Phantasieeinsatz und ein wenig achtsamer Übung, können vielleicht  interessante Rückschlüsse aus den Beobachtungen gezogen werden. Aber natürlich ist das alles sehr im  Bereich von Spekulation. Häufig gibt es mehr falsche Interpretationen, als vermutlich richtige Schlussfolgerungen. Zu viele Interpretationen führen allerdings wieder schnell  zu den klassischen Vorurteilen. Nun wird aber auch klar, dass bewusstes Wahrnehmen ohne Bewertung  fast nicht möglich ist.

 

Bitte wirklich kein Interesse heucheln, wenn keines da ist.

Empathie heißt also auch, sich für andere wirklich zu interessieren. Tatsächliches, echtes Interesse an unserem Gegenüber ist im Stress unseres Alltages oft vom floskelhaften Miteinander und Allgemeinplätzen kaum zu unterscheiden.Von Wertschätzung ist wenig zu bemerken. Wenn es aber wirklich interessiert, wie es dem anderen geht, was ihn oder sie bewegt, was gemocht und was abgelehnt wird, dann zeigt das die vorhandene Empathie und damit die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. 

 

Der durchaus wichtige Unterschied zwischen Mitleid und Empathie

Mitleid bekommt man mit Menschen und oft auch Tieren, die Hilflosigkeit ausstrahlen. Sie sind in einer Situation, in der man selbst nicht ist und auch nicht sein will. Oft steht die insgeheime Angst dahinter, einmal selbst in diese hilflose Situation zu geraten. Mitleid bedeutet, selbst Leid zu empfinden. Auch mit einem Tier !! 

 

 

Andererseits wird Mitleid auch als Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und Barmherzigkeit in den großen Religionen beschrieben. Mitleid zeigt sich als eine christliche Tugend, die aber auch im Buddhismus oder Hinduismus auftaucht. Tatsächlich liegt hier auch immer ein gewisses “Machtgefälle” zwischen dem Bemitleideten und jenem vor, der dieses Mitleid ausdrückt. Mitleid kann also den anderen auch „klein(er) machen“. Mitleid kann aber auch zeigen, dass man am Leid und Schicksal anderer teilnimmt und nicht unberührt ist.

 

Kann Mitleid Empathie blockieren ?

Es ist viel schwerer, sensibel auf unser Gegenüber einzugehen, wenn wir gleichzeitig Mitleid empfinden. Dann ist die Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten wesentlich schwieriger. Ein(e) Therapeut*in, die ständig mit  Klienten oder Patienten “heulen,” beklagen unterschwellig eigentlich nur das eigene Schicksal, sich dies alles nun anhören zu müssen, andererseits aber das fremde Leid nicht wirklich an sich heranzulassen. Eine solche Ambivalenz trägt nichts zu einem effizienten Therapieprozess bei, sondern ist kontraproduktiv.

Diesen Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl sollte man sich daher durchaus klar machen. Denn alles hat Auswirkungen auf das eigene Befinden, aber bestimmt auch den Umgang mit anderen. Unpassendes Mitleid kann durchaus schaden, weil es nur das eigene Leidgefühl stärkt, während es die Empathie- Fähigkeit und Lösungsansätze ziemlich blockieren kann. Und oft zeigt sich bei Mitleid ein starkes Gefälle zwischen dem Gebenden und dem Nehmenden. 

 

 

Jedes Mitgefühl ist schön, aber Mitleid ist vermutlich hier die kritischste Unter- Form, weil es mit Egoismus durchsetzt ist. Es kann zudem leicht krankhaft werden. Denn im Mitleid liegt auch ein gewisser, banaler Angstaspekt um die eigene Sicherheit. Das kann zu einer inneren Haltung führen, andere etwas von oben herab zwar zu bedauern und zu behandeln und sich letztlich dadurch narzisstisch aufzuwerten. Und das ist das Gegenteil von emphatisch sein.

Auf die unausgesprochenen Botschaften achten oder auf das, was zwischen den Zeilen steht !  

Dazu ist es hilfreich, vor dem dialogischen Reagieren einen Moment innezuhalten und nachzudenken. Denn wenn man nicht sicher ist, ob man eine unausgesprochene Botschaft  richtig verstanden hat, ist es besser interessiert und natürlich nicht verhörmäßig Nachzufragen. Die meisten Menschen haben im Prinzip mehr zu sagen, als sie nach außen offensichtlich tun. Dies bekommen emphatische Menschen intuitiv schneller mit, als weniger aufmerksame.

 

 
 Da gibt es zum Beispiel die schnelle körperliche Abwehrhaltung des Gegenübers  im Gespräch. Oder auch die Stellung der Füße und Beine und das Sitzen an sich. Auch die sich manchmal verändernde Stimmlage oder der gesamte Sprachduktus können eine eigene Sprache sprechen. Ebenso der sich plötzliche verirrende, oder schnell weggewandte Blick .All dies sind Beobachtungs- Feinheiten für intuitive “Wahrnehmungskönner”, die sich emphatisch in den anderen hineinversetzen können. 
 
 
Skeptischer Blick Körpersprache
Empathie durch Beobachten anderer in ihren sozialen Rollen.
Es ist eine Binsenwahrheit dass Offenheit immer dann entsteht, wenn ganz unterschiedliche Menschen unseren Lebensweg kreuzen. Weil wir dann ja auch andere Konzepte und Lebensstile kennenlernen und uns nicht mehr nur selbst als Maß aller Dinge begreifen. Träume, Gefühle und auch Probleme anderer Menschen sind dann sehr gut nachvollziehbar, wenn Freude am Kennenlernen mit Offenheit begegnet wird. Dafür ist es gut mal über den eigenen Tellerrand zu schauen und dabei Vorurteile abzubauen.
Alles was fremd ist, kann bekannt werden durch Offenheit und echtes Interesse. Natürlich sind hier Medien, also Filme, Autobiografien und überhaupt Bücher gute  Mittel, in fremde Welten und Schicksale einzutauchen. 
 
Empathie trainieren heißt also auch, sich in andere Rollen zu versetzen.
Gespielte Empathie ist beispielhaft und  das Zuschauen durchaus wirksam. Rollenspiele in einer Teamsupersvision oder einem Beziehungscoaching können hilfreich sein. Selbst Theater zu spielen ist recht anspruchsvoll, weil hier Gefühle überzeugend herübergebracht werden müssen. Dafür ist es nötig sich im Vorfeld mit der Natur dieser Gefühle und Situationen vertraut zu machen. Genau dieses Prinzip haben gute Schauspieler oft verinnerlicht und spielen deshalb so authentisch. Für das reale Leben gilt das im Prinzip auch. Je besser wir uns in jemand anders einfühlen können, desto mehr Verständnis entwickelt sich.
 
 
 
 
Der begrenzte Energiehaushalt : ein Zuviel ist ein Zuviel !

Echte emotionale Nähe zu anderen Menschen kann auch überfordernd sein. Darüber können helfende und beratende Berufe ein gemeinsames Klagelied anstímmen.  Denn wer sich zu sehr anderen zuwendet und für sich selbst keine Empathie mehr übrig hat, verliert sich nicht selten selbst aus den Augen.

Wichtig : Fremde und eigene Gefühle trennen lernen.

In einer Therapie- oder Coachingausbildung lernt man, dass die Gefühle, die man bei anderen wahrnimmt, automatisch bei einem selbst auch Gefühle auslösen. Schwierig wird es, wenn Verwirrung darüber entsteht, ob nun die eigenen Gefühle dabei eine Rolle spielen oder man vor allem die Gefühle des Gegenübers spiegelt. Vorsicht ist geboten bei plötzlich auftretenden Gefühlen. Sind es wirklich die eigenen oder spiegele ich gerade als Therapeutin/Coachin meinen Klienten oder meine Klientin ? Ständige Selbstreflexion ist also unbedingt angesagt und ebenso Supervision, um Projektionen aufzudecken. Im Alltag entstehen aus Projektionen häufig klassische Konfliktmuster, oftmals verdeckt oder auch ganz offen.

Freundliche Distanz ?

Empathiefähigkeit hat natürlich Grenzen. Wenn ein weitläufiger Bekannter im Vorbeigehen mit zu viel Mitgefühl, Ratschlägen und gar Lösungsvorschlägen bombardiert wird, ist das gewiss grenzenlos übergriffig und hat mit Empathie nichts zu tun. Denn nicht jeder will und kann offen über eigene Gefühle reden. Empathie zeigt sich hier eher in freundlicher Distanz und damit Sensibilität auch für das vielleicht ziemlich schweigsame Gegenüber. 

 

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