„Unterwerfung oder Dominanz? Wem vergeht die Lust und wer hat sie ?“

„Unterwerfung oder Dominanz? Wem vergeht die Lust und wer hat sie ?“

Mit den Themen der Unterwerfung-Dominanz-Lust oder jenem Partner, dem die Lust vergeht, beschäftige ich mich im Rahmen der Sexual- und Paartherapie recht häufig. Die rosarote Brille ist hier meistens schon länger „eingepackt“ und die gemeinsame Sexualität liegt zusammen, mit einigen Illusionen und Träumen, im fest verschnürten Päckchen des Alltages. Hier fristet das Päckchen und die eingepackte Lust ein recht lichtloses und langweiliges Dasein. Spätestens hier orientiert sich ein Paar idealerweise klar und vor allem neu. Denn das partnerschaftliche Miteinander kann sich erst nach der grandiosen, aber auch sehr narzisstischen Verliebtheitsphase in eine reifere Phase weiterentwickeln.

Suche nach ultimativer Lust-Erfahrung

Das Ausbrechen aus der sexuellen Routine des Paaralltages, auch mit ultimativen sexuellen Experimenten, erlaubt es, sich von der Magie der Verliebtheit- oftmals recht ruppig- zu verabschieden und nun puren Sex in den Fokus zu stellen.

Die Suche nach der ultimativen Lust-Erfahrung treibt Menschen zum hoffnungsvoll-neugierigen Besuch von Swingerclubs oder zum Verkehr zu Dritt oder mal mit dem eigenen Geschlecht, zu Partnertausch oder auch zum Besuch im Sado-Maso-Club oder einer entsprechenden  Plattform und zu anderen, nicht immer ästhetischen, oft sehr aussergewöhnlichen sexuellen Praktiken.

Natürlich liegt hierbei die postive oder negative Bewertung immer “ im Auge des Betrachters.“ Was für den einen normal ist, ist für den anderen schon pervers.

Sich zu Unterwerfen oder zu Dominieren basiert im Prinzip auf ganz rudimantären, archaischen Gefühlen, ähnlich wie sie im Tierrreich beobachtbar sind. Und Unterwerfung-Dominanz-Lust sind immer ein erotisches Gesamtpaket.

Grundsätzlich aber gilt besonders hier : niemals sollte über die Scham- und Willensgrenzen des Partners oder der Partnerin hinweggegangen werden.

 

 

Paar-und Sexualtherapie bieten durchaus einen beachtlichen Paar-Gewinn.

Manche Paare entdecken die Welt der Rollenspiele und spielerisch- lustvolles Umgehen mit  Unterwerfung-Dominanz-Lust sehr spät. Manche schon nach kurzer Beziehungszeit. Manche machen auch für sich alleine und ohne Partner Erfahrungen. Andere behalten das als Lebensgeheimnis lieber für sich oder öffnen sich im Rahmen einer moderierten Paar-und Sexualtherapie. Hier kann sich das Paar kreativ unter Anleitung zu Hause ausprobieren lernen und diese Erfahrungen in der Sexualtherapie einbringen und damit häufig einen beachtlichen Paar-Gewinn erzielen.

 

Unverarbeitete traumatisierende Grenzerfahrungen mit der Lust.

Aber manchmal passiert auch das Gegenteil : Aufgrund einer unverarbeiteten, manchmal sogar  traumatisierenden Grenzerfahrung kann das gegenseitige Vertrauen einen Knacks bekommen und die Lust klammheimlich vergehen. Und i.d.R. reden die Menschen bzw. Paare zu wenig miteinander. So bleibt die Grenzerfahrung und damit Überforderung oft unverarbeitet, wird unnötig tabuisiert und schadet der Beziehung und den betroffenen Partnern und dem Paarklima sehr : Es wird dann zunehmend frostig zwischen Partnern.

Unverzichtbares wachsendes Wir-Gefühl  und sexuelle Lust als Zugabe.

Idealerweise beginnt nach der heißen Phase der Verliebtheit eine Phase des tiefen Vertrauens und des wachsenden WIR -Gefühles. Man fühlt sich beim Anderen angekommen ! Gemeinsame Ziele und Projekte, das Pflegen sozialer Beziehungen und das sich immer wieder Zuhören, stehen nun im Mittelpunkt. Somit dominiert jetzt nicht die Lust am Sex. Letztere bietet aber die ideale Basis für das wachsende Wir-Gefühl und Miteinander der Partner und die sich verändernde, reifere Beziehung.

 

Die sexuelle Lust ist eher wie eine wunderbare Zugabe. Sie ist so etwas wie die „Hintergrundmusik“, emotional unverzichtbar, aber möglichst nie aufdringlich laut, es sei denn, man gibt mal ab und zu ein  fetziges „Rock-Konzert“.

 

 

 

Immer wieder Lust aufeinander ! Geht das ?

Auch existiert nun idealerweise, wenn die Verliebtheit in geliebte Vertrautheit übergeht, die Freude, sich immer wieder körperlich neu zu entdecken. Es geht immer wieder darum, sich gut zu tun, sich gut zu kennen und damit immer wieder vertrauen zu können !

Und das wiederum macht immer wieder Lust aufeinander. Das sich Geborgen- Fühlen in der Beziehung, das quasi „zu Hause angekommen zu sein,“ vertieft also das, was man landläufig  dann Liebe nennt. Und das ist dann eine wunderbare Fortsetzung des ziemlich „verrückten“ Verliebtseins.

 

Befriedigende gemeinsame Sexualität

Wenn sich ein Paar offen über seine sexuellen Vorlieben austauscht, und nicht nur über die immer gleichen, alltäglichen Themen spricht, kann sich die Paarbeziehung ständig „ rundumerneuern“ und neu erfinden. Das gelingt dem einen Paar sehr gut und dem anderen eher nicht. Das heisst aber auch, dass nur durch eine Auseinandersetzung mit dem Thema Sex und das offene Reden darüber, eine gute und befriedigende gemeinsame Sexualität entsteht.

Und diese kennt keine falschen Standards oder auch keine moralischen Klischees, vorausgesetzt, man schadet weder sich noch anderen damit.

 

Fallbeispiel: Das heutige Tinder-, Parship– oder Elite-Partner.de – Paar

Vielfach verhält es sich im Alltag wesentlich komplizierter : Die Partner- Suche ist bereits hochkomplex, da dabei nur von höchsten, nicht immer realistischen Standards ausgegangen wird; von der mangelnden Kompromissbereitschaft beim Halten einer Beziehung mal ganz abgesehen. Nachdem sich nun beispielsweise Paare auf Tinder oder Parship oder Elite-Partner.de oder lovescout.de oder auch analogen Wegen gefunden haben, geht es nicht selten nur um puren Sex. Öfter wurde mir berichtet- dass vom jeweiligen Partner, ( Mann oder Frau ), oft schon nach recht kurzer Beziehungszeit, auch exotische sexuelle Vorlieben geäussert wurden. All dies geschieht dann recht fordernd und das gelingt besonders gut, wenn die Verliebtheit in den Hintergrund gerückt ust.

Unterwerfung Liebe Dominanz
Bildherkunft: Zeitschrift Woman „Körpersprache des Mannes“

Ein  realer Partner eines Paares  in meiner Praxis hatte z.B. an vielen verschiedenen sexuellen, manchmal auch grenzwertigen bis perversen Spielarten und Rollen richtig Spaß. Genau darüber hatte er aber mit der Partnerin während der ersten sechs Monate der Beziehung lieber nicht gesprochen. Zu diesem Zeitpunkt war er auch noch sehr verliebt und wollte die Partnerin nicht verlieren.

Dieser Partner glaubte ganz plötzlich ernsthaft, es sei jetzt sofort genügend Vertrauen da, um die eigene Freude an Sex-Spielchen extrem erweitern zu können und nun wirklich hemmungslos alles, was die Pornoindustrie so bietet, nachzuspielen.

Das war jedoch ein verhängnisvoller Irrtum ! Denn das kam für die noch sehr verliebte Partnerin wie aus heiterem Himmel und ziemlich überfordernd an. Grundsätzlich war sie zwar neugierig, aber wollte eben nicht auf Knopfdruck für seine verschiedenen sexuellen Spielarten verfügbar sein.

 

Dominanz zum Füllen der Gefühlsleere ?

Was sagt das Fallbeispiel aus ? Versucht hier eventuell ein Partner mit seiner sexuellen Präferenz ( Vorliebe ) die Partnerin dahin zu bringen, eigene Bedürfnisse ganz nach hinten zu rücken?  Zumindest wollte er jetzt nur noch Sex auf seine Weise haben. Also ging es primär um das Füllen seiner plötzlichen Gefühlsleere mit purem Sex !

Porno Literatur

Aber diese Art von Unterwerfung-Dominanz-Lust -Spielen stellten sich für diese  Beziehung als eher ungesund heraus. Es fehlte vor allem die Verbundenheit und das Vertrauen, von Liebe mal ganz abgesehen. Seine sexuellen Wünsche konnte sie nicht befriedigen, weil es sie eher abstieß als anzog.

Genau aber darauf ging er zu wenig bis gar nicht ein, weil er das absolut nicht verstehen wollte bzw. konnte.  Erst in der Sexualtherapie bekam er eine Vorstellung davon, wie sich die Partnerin mit ihm manchmal gefühlt haben mag. Und er „lernte“ dass allmählich zu akzeptieren.

 

Der Geschlechtsakt als reiner Stressabbau.

Dieser Partner hing vermutlich der inneren, irrtümlichen Meinung nach, dass ihm jetzt, nach sechs Monaten Blümchensex, anständiger, harter Sex zustände. Damit reduzierte er aber alles auf den Geschlechtsakt als reinen Stressabbau.Die Partnerin interessierte ihn dabei herzlich wenig.

Damit nährte er allerdings schon vorhandene, pornogeprägte Klischees in seinem Kopf,indem er eine Partnerin zu seinem immer verfügbaren Objekt instrumentalisieren wollte. Zugleich verhielt er sich öfter besonders barsch-männlich, weil er ja bewusst dominant auftreten wollte. Seine anfänglich liebenswerten Seiten gab es nur noch selten. Lange sucht SIE bei sich nach Gründen. Denn immerhin war sie auch noch etwas länger in ihn verliebt als umgekehrt.

Emotionale Erpressung

Erschwerend kam noch hinzu, dass der nicht mehr verliebte Mann wenig bis gar nicht mehr seine Zuneigung zeigen konnte bzw. wollte. Im Gegenteil, er verweigerte sich kategorisch dem Thema Schmusen, Küssen und „die Bühne“ vor dem eigentlichen Verkehr zu bereiten. Er ließ die Frau vor anderen öfter unbeachtet links liegen, wertete sie häufig verbal ab und meldete sich tagelang nicht mehr. Dann bombardierte er sie plötzlich wieder mit seinen sexuellen Wünschen und Forderungen. Die Partnerin fand das nach recht kurzer Zeit unerträglich narzisstisch. Sie reagierte schliesslich auch nicht mehr auf seine emotionale  Erpressung, dass sie ihn wohl nicht mehr liebe, wenn sie sich seinen Wünschen nicht öffne : „Nur wenn du tust, was ich will, kann ich dich weiter lieben !“

Unterwerfung Dominanz

Offene Aussprache über eigene und partnerschaftliche sexuelle Vorlieben 

Andererseits ist es wirklich nicht verwerflich, sexuelle Präferenzen bzw.Vorlieben und Fantasien zu haben. Im Gegenteil, richtig eingesetzt kann es die sexuelle Beziehung von Partnern durchaus stimulieren. Aber :  idealerweise stimmen dann sowohl Sex als auch das Gefühl füreinander überein. Und genau das ist der Knackpunkt, welcher Paare verzweifeln lässt. Denn nur weil vielleicht weniger verliebtes Gefühl da und die rosarote Brille abhanden gekommen ist, ersatzweise auf oft reichlich klischeehafte Sexspiele- wie im allerschlechtesten Porno- zu setzen, kann ziemlich nach hinten losgehen. Eine offene Aussprache sollte also zunächst mal klären, wie beide Partner ein Agreement darüber treffen können, eigene und eben aber auch partnerschaftliche sexuelle Vorlieben in ihr Sexleben einzubauen. Genau dies wird in meiner Sexualtherapie in den Fokus gestellt.

Wohlgemerkt : Beide sind hier gefragt und nicht nur ein Partner sollte hierbei dominieren !

Natürlich habe ich hier auch, zugegebenermaßen seltener, weibliche Partner, die sich den Mann mit sexuellen Praktiken gefügig machen und sich später trotzdem wundern, wenn er ihnen nach einiger Zeit dann doch laufen geht. „ Er wollte das doch so!“, heisst es dann nicht selten bitter enttäuscht. Auch hier liegt im Kern mangelhafte Kommunikation und geringe Offenheit zugrunde.

 

 Was also sollte sich ein Paar mit Problemen in der Sexualität fragen?

Jeder Partner sollte sich konkret fragen, was ihm oder ihr überhaupt Lust machen könnte. Und was möchte sie oder er eigentlich ausleben? Reichen nicht manchmal stimulierende Sexfantasien? Müssen sie immer umgehend ausgesprochen und ausgelebt werden ? Wie geht man(n) und frau überhaupt mit dem natürlichen eigenen und partnerschaftlichen Schamgefühl um ? Es ist ja nicht so, dass es das nicht mehr gibt.

 

Bei sexuellen Spielen mit Unterwerfung-Dominanz-Lust, sollten Gefühl und Erotik harmonieren. Genau das unterscheidet uns doch wesentlich von Robotern !

Fragen sollte sich jeder Partner, ob er oder sie im sexuellen Rollenspiel umworben sein möchte. Oder welcher Partner gerne mal verführt werden will, in Besitz genommen werden will…, selbst mal nur bestimmen will…?  Wieviel Drama und Bühne sind überhaupt nötig ? Unterwerfung-Dominanz-Lust sind also gar nicht so exklusive Themen, sondern nur drei von etlichen anderen Themen !

Beiden Geschlechtern kann ich an dieser Stelle nur dringend empfehlen, weiter nach dem Mann oder der Frau zu suchen, bei denen sowohl das Gefühl, als auch der Sex stimmen. Sonst besteht die Gefahr aus Sex eine Leistung oder pure Entlastungstechnik zu machen und alles zu mechanisieren. Genau das aber unterscheidet uns doch wesentlich von Robotern ! Und eine weitere positive  Botschaft ist : wenn die Grenzen des Partners und auch die eigenen respektiert werden, geht da noch viel mehr, was Spaß machen kann und nicht zwangsläufig in eine Krise führen muß.

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