Sexuelle Untreue ist ziemlich universell und so alt wie die Menschheit selbst. In fast allen Gesellschaften wird mit Untreue eine Täter – Opfersituation beschrieben und entsprechend sanktioniert. Sanktionen in autoritären Gesellschafts- Systemen können allerdings recht drastisch sein. Hier ist das Risiko sexueller Untreue tatsächlich lebensgefährlich.
Die klassische Dreiecksgeschichte
Ein Paar suchte mich auf, nachdem die Partnerin eine monatelange heimliche Affäre verschwiegen und diese dann auf Drängen des Mannes beendet hatte. Nun setzte er alles daran seine untreue Frau wieder zurück zu gewinnen. Das Paarleben und die Erotik sollte dafür wieder neu belebt werden. Problem : Sie fühlte sich nach wie vor zum Anderen hingezogen. Und er quälte sich mit Gedanken, was er falsch gemacht haben könnte und fühlte sich zudem extrem abgewertet durch ihr Fremdgehen.
Der Paarstatus zum Zeitpunkt des Therapiebeginnes
Beide wollten ein Scheitern der Beziehung wegen ihrer Untreue nicht zulassen. Und Beide waren ausgesprochen kompromissbereit ! Das Paar lebte tatsächlich auch in einer recht ausgewogenen 15jährigen Beziehung. Sie hatten die gleichen Wertevorstellungen, schätzten sich sehr und unterstützen sich beruflich ebenso gut wie in ihren Elternrollen. Beide lebten vor allem mit einer ähnlichen Weltanschauung und Normen, in welche Untreue naturgemäß nicht passte. Entsprechend kämpfte sie durch ihr Fremdgehen auch mit Schuldgefühlen und er fühlte sich als Versager.
Der romantischen Beginn und dann die Untreue !
Wenn sich die Schmetterlinge im Bauch verabschieden und die Beziehung in ein ruhigeres Fahrwasser kommt, geschieht etwas Paradoxes : Einerseits wird die zuverlässige Bindung gefeiert und andererseits will man den Partner ständig und stetig begehren. Problem aber ist, dass sich Bindung und Begehren oft diametral zu einander verhalten. Die Sehnsucht schwindet nämlich häufig, je sicherer die Bindung ist.
Geht es auch ohne zu Moralisieren ?
Vorwürfe sind tatsächlich moralische Fallen. Im Ankläger- Modus ist es zudem unmöglich, alle Beteiligten in einer typischen Dreiecksgeschichte zu berücksichtigten. Denn es geht schließlich hier um drei Perspektiven : den untreuen Partner oder die Partnerin und die betrogenen Partner*innen, aber tatsächlich auch um den oder die Geliebte (n) . Systemisch und in der Therapie betrachtet, sind also alle drei Perspektiven mit ein zu beziehen. Das kann für Betroffene und Betrogene anfänglich recht unerträglich sein. Aber nur wer es sich allzu leicht machen will, schlägt sich ausschliesslich auf die eigene Seite und ist quasi entweder dauerempört oder auch heftig traumatisiert. Die Beziehungskatastrophe ist nun unvermeidbar.
Im Therapie- Gespräch mit untreuen und betrogenen Partnern, Geliebten und „Betrügern“.
Als Therapeutin begegnen mir häufig typische Glaubenssätze wie : „Das musste ja so kommen, mit uns stimmte ja gar nichts mehr !“ Das ist im Prinzip dann der Klassiker um Untreue zu erklären und sie vor allem zu rechtfertigen. Denn in einer glücklichen Beziehung hat es Untreue ja nicht zu geben, sondern eben nur in einer schwierigen Beziehung ! Das aber ist ein Irrtum !
Natürlich ist die Liste der Motive für das Fremdgehen und die der Untreue lang. Langeweile steht oft an oberster Stelle. Neugier, Spieltrieb, Sehnsucht und Geilheit gehören u.a. mit darauf. Tatsächlich aber flieht auch so mancher Mann oder auch Frau aus einer total öden Beziehung in die leidenschaftlich ausgebreiteten Arme eines verständnisvollen Partners. Und nicht selten werden dabei günstigstenfalls aus Affären dann neue Partnerschaften oder gar Ehen.
Eine Affäre tut langweiligen Beziehungen doch nur gut, oder ?
Solche Mythologien oder Glaubenssätze höre ich im Therapiekontext übrigens öfter, vor allem von Männern ! Klar, wenn das Paar über ein tolles Konfliktmanagement verfügt, „Weltmeister“ in gegenseitiger Wertschätzung ist, mag eine Affäre kurzfristig mal frischen Wind hineinbringen. Allerdings muss dabei auch berücksichtigt werden, dass dafür das partnerschaftliches System mit sehr viel Akzeptanz ausgestattet sein muss. Eifersucht darf es hier absolut nicht geben. Genau hier aber liegt der Knackpunkt ! Insofern bleibt Untreue also nach wie vor immer ein extremes Risiko für Paar- Beziehungen.
Männer sind doch sowieso von Natur aus untreu, oder ?
Übrigens auch diesen irrtümlichen Glaubenssatz höre ich zumeist von den untreuen Männern. Genetisch verursachte Untreue ist natürlich ein Schein-Alibi. Folgt man diesem genetischen Ansatz, sind Frauen auch ( nicht ) von Natur aus untreu, sondern sind genauso wenig oder stark treue oder promiske Menschen wie die Männer.
Ein untreuer Partner beweist damit doch klar, den Betrogenen weniger zu lieben ?
Ja, das mag so sein. Kann es aber auch umgekehrt geben. In der Paartherapie erlebe ich durchaus emotional abhängige Menschen, also eigentlich solche, die „mehr“ lieben, die genau deshalb eine Affäre beginnen, um einfach herauszufinden, ob der Beziehungspartner ( noch ) eifersüchtig ist. Liegt ihm oder ihr noch etwas an mir ? Eine gefährliche Denkweise und Verhalten. Grundsätzlich aber gilt schließlich : Wer weniger zu verlieren hat, wird normalerweise das Risiko einer Untreue eher eingehen.
Der oder die Betrogene ist zumindest mitschuldig, wenn Partner untreu geworden sind ?
Genau dieser Mythos hält sich leider ebenso hartnäckig in den Köpfen vieler betroffener Paare. Denn gibt es eine bessere Entlastung und Rechtfertigung für untreue Partner*innen ? In der Therapie oder auch in der Trennungsmoderation entwickeln sich häufig regelrechte Dramen, oder vereinzelt mal Komödien mit ziemlichen Absurditäten. Natürlich wird der/die Partner vom hohen Sockel geschubst, aber auch der oder die Geliebte werden vom Betrogenen total schlecht geredet und möglichst alles entzaubert.
Das Fremdgehen wird vom Betrüger als unausweichlich dargestellt und man wirbt sogar um Verständnis und sucht Trost, weil man Sex ja woanders suchen musste. Nicht desto trotz verbleibt jedoch die Verantwortung- bei aller Kenntnis der Paardynamik- beim untreuen Partner, und nicht beim Betrogenen, auch wenn dieser sich im Einzelfall ebenfalls ziemlich mies verhalten hat.
Manche Beziehungen sind wirklich nicht mehr zu retten ?
Untreue Partner oder Partnerinnen haben häufig großes Interesse – im Rahmen eines moderierten Paarcoachings – die Trennung voranzutreiben. Viele Paare glauben sowieso der Vertrauensriss ginge eh so tief, dass es nie mehr heilen kann. Da wurde im Laufe der Gespräche vieles Gestanden und auch manches Verziehen. Aber auch unendlich ausdauernd miteinander ergebnislos gestritten.
Es kann daher passieren, dass Paare die eine mögliche, emotionale Heilung gar nicht zulassen wollen, ständig die Wunden neu „aufkratzen“ .Emotionale Narben brauchen aber vor allem Zeit, die man ihnen lassen muss zum Heilen. Der verletzte Partner lässt sich übrigens eher auf eine Trennung ein, als der noch Hoffnungsvolle und noch Arglose.
Die Affäre auch als Mittel zum Zweck ?
Alle Glaubenssätze, Überzeugungen oder Mythologien zum Thema Untreue kranken natürlich an ihrer Einseitigkeit und an einer gewissen Besserwisserei. Wem jedoch der Mut zur Klarheit und zum offenen Wort fehlt, der drückt mit einer Affäre ohne Worte aus, wie weit er sich schon vom Anderen entfernt hat. Der Wunsch mittels der Affäre das Ende der Beziehung voranzutreiben, ist inzwischen leider häufiger in meinem Praxisalltag zu bemerken.
Das Dilemma der Monogamie verweist dabei auf die Kernfrage, worin vor allem das Paarthema und die Paarziele liegen : Nicht nur Sicherheit und Verlässlichkeit, sondern auch Leidenschaft, Lust und Sinnlichkeit, überhaupt Freude an Intimität und Nähe ? Am besten Alles ! Genau das aber ist mehr als problematisch in bereits irritierten Beziehungen.