Eigentlich wären die Kinder ja nie das Problem gewesen. So berichtete mir in einer Sitzung eine ziemlich genervte Mutter von zwei Kindern, 3 und 7 Jahre alt. Jungs ! Und auch größere Kinder könnten stressig im Urlaub sein, das wäre doch bekannt.
Man habe sich vermutlich nur zu lange der Illusion oder magischen Vorstellung hingegeben, im Urlaub den Alltag- Wahnsinn mal hinter sich lassen zu können, und das eben trotz der Kinder. Und dabei habe man sich doch so auf diesen Urlaub gefreut !
Der reale alltägliche Wahnsinn.
Tatsache aber war und ist- so die Klientin weiter – dass das Ganze auf einen ständigen Kompromiss hinausgelaufen sei, abgesehen von der unablässigen Organisation um die Themen : Schlaf, Essen, Bespaßung und schließlich Windelver- und Entsorgung und deutlich problematisch bei dem Thema an der “Süß- Abwehrfront“, also priorisiert immer das heikle Thema bei jeder Eisdiele, Kiosk oder Supermarkt mit den vielfältigen, süßen Verführungen. Und das alles dann auch insbesondere im Urlaub ? Um des lieben Friedens willen wird öfter inkonsequent nachgegeben, weil man ja im Urlaub ist !!
Auf meine Frage ob es zu Hause denn wesentlich anders laufen würde, erzeugte ich zunächst mal nachdenkliches Schweigen. Klar wurde hier, Mutter und Vater arbeiten beide 30 bzw. 40 Stunden die Woche, müssen die Wohnung putzen, einkaufen, kochen, waschen, aufräumen, spülen und dazu Mails oder Whatsapp-Nachrichten nebenbei beantworten, also auch im Homeoffice fleißig sein und natürlich dabei noch die zwei Jungs erziehen !
Weniger Kompromisse und Harmonie gerade im Urlaub mit Kindern ?
Meine Reaktion ähnelte wohl einem personifizierten Fragezeichen. “Der alltägliche Wahnsinn geht also im Urlaub eins zu eins weiter”, frage ich- mich vergewissernd – nach ? Nur mit dem Unterschied, meinte ich dann weiter, dass eine gewaltige Erwartungshaltung an einen Urlaub mit Kindern dann eher nach hinten los geht ? Fängt vermutlich schon mit der Anreise oder im Auto an, vermute ich?
So fühlt sich Urlaub tatsächlich irrsinnigerweise genauso an wie zu Hause. Und Harmonie und friedliches Miteinander “zucken bedauernd die Schulter”.
Kompromisslösungen rücken dann in der Tat in weite Ferne, gerade dann irgendwo im Ausland.
Das Handy als Objekt der Begierde ?
“Nun hatte ich beim letzten Urlaub eine Idee, erläuterte mir die Klientin dann weiter.
“Ich setzte also durch, dass mein Ältester ein Handy bekam. Nun wurde es aber erst recht gruselig. Zwar hatte ich nun eine kleine Gewissheit ihn, wenn er denn mal verloren ginge, schneller zu orten. Oder umgekehrt, ich blieb erreichbar.“
„Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass mir schlagartig eine Art vorpubertäres Wesen gegenübersaß, welches nur noch ins Handy starrte, Fragen nicht beantwortete und völlig verschluckt war in den Stories, die dort zu sehen waren ! “
„Ach herrje, entgegnete ich anteilnehmend. “
„Und wie geht die Geschichte weiter ? Wie ging es im nächsten Urlaub denn zu?”
Verhandeln und sich an eigene Regeln halten !
“ Nun, ich habe etwas Wesentliches übersehen”, erläutere mir die nun mit sich schon wesentlich zufriedenere junge Mutter weiter :Der Älteste wollte nämlich Verhandeln !
Darauf ließ sie sich ein und gab nun eine Handy- Zeit- Regel aus – und zwar für morgens und abends im Bett maximal für 35/40 Minuten. Vom Sprössling kam dann prompt die Quittung nach dem Motto : Wie du mir, so ich dir ! Du aber jetzt auch!
“ Und so habe ich im letzten, aktuellen Urlaub einen Deal gemacht und ebenfalls mein Handy zeitweise ganz weggelegt”, meinte sie schließlich lächelnd weiter.
Fazit ?
Tatsächlich konnte sie dann auch schnell feststellen, wie erholsam es wurde, nicht immer ständig erreichbar zu sein.
Das Ungestörte ins Handy gucken, wurde allmählich immer unwichtiger. Es hatte nicht mehr so einen hohen Stellenwert. Stattdessen war nun Ihrerseits das Üben im Nichtstun, und Improvisieren mehr angesagt. Das ständige Nachrichten durchscrollen und reagieren war out.
“Und ich behaupte, es war einfach entspannend”, meinte sie weiter.
“ Ich habe übrigens wesentlich besser geschlafen. Mit dem zeitlich begrenzten Gebrauch des Handys ging es uns also tatsächlich allen besser, und der Job blieb nun wirklich draußen, wo er hingehört im Urlaub. Auch mein großer Junge war merkbar zugänglicher. Ohne Handy war Einfallsreichtum und Spontanität wieder am Start. Eine Herausforderung, zugegeben, aber einfach auch toll !
HAPPY END !
“Das hört sich für mich jetzt geradezu nach einem Happ End an”, meinte ich noch etwas ungläubig konstatierend ! “
„Ja, der Druck war irgendwie raus, und echte abendliche Müdigkeit- eben ohne digitalen Nachrichtensturm- war einfach ein Erlebnis.”
“Konnten Sie denn etwas davon in den Alltag mitnehmen`? ”, fragte ich am Ende der Sitzung.
“Hhm, die Begrenzung war und ist jedenfalls fantastisch ! Wir haben schließlich alle dabei begriffen, dass es wohl keine Erlösung von dem alltäglichen Geschwurbel im Urlaub gibt. Das ist einfach eine falsche und idiotische Vorstellung, die nur unzufrieden macht.
“Also sind nicht die Kinder das Problem, sondern unsere Welt und wie sie um uns herum designt ist,” warf ich ein.
“ Eine sehr interessante und nachdenkenswerte Hypothese” meinte dazu meine kluge Klientin anerkennend.
“Die Gefahr dabei besteht aber auch durchaus”, entgegnete ich etwas provokant,” sich so mal schnell von sämtlichen möglichen Erziehungsfehlern freizusprechen und nur die systemische und nicht mehr die eigene Verantwortung zu sehen und dann zu leben !”
Daraufhin meinte meine Klientin noch ergänzend, dass stundenlanges ins Handy starren, doch für eine seltsame Vorstellung von persönlicher Freiheit spreche und eher Überforderung auslöse , als dass es tatsächlich stundenlang Spaß machen würde. Das könne man sich aber exzellent einreden oder einreden lassen.”
Die Quintessenz
“In Ordnung”, entgegnete ich. “Nicht alles was machbar ist, ist also zwangsläufig auch gut .”
Und die Quintessenz : Um ein erfülltes Leben führen zu können, ist es absolut wichtig Grenzen, Einschränkungen, Frustrationsschwellen und Kompromisse ständig- auch im Urlaub, gerade mit Kindern – im Auge zu behalten.
In Wahrheit bringt das uns meistens eher weiter, als dass Begrenzungen uns stoppen oder nur behindern.
Und um es abschließend mit John Lennon zu sagen : “Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen!”
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