Pädophilie ist ein sehr komplexes Thema, auch in meiner Praxis. Aber natürlich nicht mein Schwerpunkt. Es sind eher Zufallserkenntnisse im Rahmen einer Therapie mit meist zunächst ganz anderem Auftrag und Ziel, wenn sich plötzlich das Thema der Pädophilie herauskristallisiert Aber es ist auch vor allem ein Thema, bei dem ich durchaus an meine professionelle Grenzen gestoßen bin und vieles dazugelernt habe.Therapie mit einem pädophilen Betroffenen – auch wenn er die Impulse nie real auslebt – existiert auf der Grundidee, dass die Gedanken und Gefühle des Betroffenen nicht moralisch bewertet werden, aber das mögliche Handeln sehr scharf beobachtet und reglementiert sein muss. Pädophilie gilt als unheilbar. Was für einen Sinn macht also Therapie mit einem pädophilen Menschen ? Genau das ist Thema dieses Blogs.
Pädophile Impulse, Neigung oder einfach auch persönliches Schicksal .
Von einer pädophilen Störung ist auszugehen, wenn Betroffene sich von Kindern, i.d.R. unter 13 Jahren, sexuell angezogen fühlen. Von einer Hebephilie wird gesprochen, wenn pubertierende Kinder bzw. Jugendliche sexualisierend auf Betroffene wirken und sich daraus schlimmstenfalls sexuelle Übergriffe und Missbrauch enwickeln.
Ganz klar ist, dass Pädophilie als persönliches Schicksal nicht verurteilt werden sollte, aber das Verhalten Betroffener jedoch, wenn es schädlich und schädigend für Kinder ist, moralisch und ethisch bewertet und therapeutisch verhindert werden muss.
Ziemlich lange wurde Pädophilie sofort mit Kinderschändung gleichgesetzt. Das brachte Menschen mit dieser Störung sehr viel Hass und Verachtung der Gesellschaft ein.Tatsächlich jedoch zeigen Studien, dass sehr viel weniger als die Hälfte der bekannt gewordenen Übergriffe auf Kinder von Pädophilen ausgingen. Es ist durchaus schicksalhaft pädophile Neigungen zu haben. Pädophilie zeigt sich in allen gesellschaftlichen Schichten und tritt unabhängig vom Bildungsniveau auf. Vielfach bleibt es bei geheimen Vorstellungen und wird nicht ausgelebt.
Pädophile Zwangsgedanken
Sehr vieles bleibt also bei den betroffenen Menschen Kopfkino und wird sogar in der Therapie nur zögerlich und ganz schwer thematisiert. Dass man dem Menschen hier zuhört ohne ihn negativ zu bewerten, gilt sowohl für die Einzel- als auch Gruppentherapie als hilfreicher Ansatz, denn Betroffene hassen sich oft auch selbst, was bis zum Freitod und Selbstverstümmelung gehen kann.Insofern ist in schweren Fällen von Phädophilie unbedingt psychiatrische und damit medikamentöse Betreuung geboten. Psychologische bzw. psychotherapeutische Begleitung in Einzel- und/oder Gruppentherapie können durchaus auch als Schadensbegrenzung für den Betroffenen und damit für die Gesellschaft betrachtet werden.
Kopfkino und pädophile Zwangsgedanken am Beispiel von Ralf
Ausschliesslich Kopfkino und pädophile Zwangsgedanken waren es auch – nennen wir ihn Ralf – bei ihm gewesen : 32 Jahre alt, promoviert und eine entsprechende wissenschaftliche Laufbahn anstrebend, stellte er bereits früh fest, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Die Eltern, gehobene Mittelschicht, beide gebildet und unterstützend, ahnen bis heute nicht, dass sich ihr Junge mit 17 Jahren eher für die kleinen Mädchen von 1o bis 12 Jahren auf dem Schulhof interessierte und dass sich das Muster bis zur Therapie wenig geändert hatte. Ralf interessierte sich nicht wie seine Altersgenossen für Handy-Pornos oder weibliche reife Attribute. Die machten ihm eher Angst.
Selbsthass
Ralf spricht in der Therapie anfänglich voller Selbsthass über seine Obsession. Er spielte in seinem Leben manchmal mit dem Gedanken es radikal zu beenden. Eine entsprechende Medikamentation und psychiatrische Beobachtung wurden durchgeführt. Medikamente gehören für viele Menschen mit pädophiler Neigung zum Alltag, um so die Selbstkontrolle rechtzeitig zu spüren.
Niemals jedoch überschritt Ralf die Grenze zwischen Kopfkino und realem sexuellen Übergriff. Aber er war nicht nur ein pädophiler Kopftäter, sondern womöglich doch auch eine Zeitbombe. Genau diese Unabwägbarkeit machte die therapeutische Arbeit mit ihm auch sehr hart und verantwortungsvoll.
In seinem Kopf kämpfte er ständig gegen die sexuellen Impulse an. Denn natürlich war ihm klar, dass es falsch ist, Kinder zu begehren und körperlich erregt zu werden beim Betrachten von Fotos oder Filmen. Er lernte in den Einzelgesprächen, sich das mögliche Leid der dargestellten Kinder zu visualisieren. Und er lehnte es bereits am Anfang der Gespräche von vorneherein ab, kinderpornografische Aufnahmen, die nur durch Missbrauch und sicherlich Gewalt entstehen konnten, anzuschauen. Das ließ er nicht zu ! Insofern war er therapeutisch zu diesem Zeitpunkt noch gut abzuholen und übernahm damit immer mehr für sich selbst die Verantwortung.
Projekt „ Kein Täter werden.“ und endlich Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.
Ich empfahl ihm eine unterstützende Gruppentherapie am Klinischen Institut für Psychosomatische Medizin der Uniklinik Düsseldorf als die ortsnächste Möglichkeit. Es gibt 11 Standorte dieses Projektes : „Kein Täter werden „. Hier in Düsseldorf kommen Betroffene aus ganz NRW einmal wöchentlich mit nicht mehr als acht Teilnehmern zusammen. Dies setzt voraus, sich der eigenen Scham und der Schuldgefühle, dem Selbstekel und latenter Selbstzerstörung zu stellen, die enorme Angstschwelle zu überwinden und Verantwortung zu übernehmen..
Kein Therapieplatz bei bereits belegtem Missbrauch.
Die gesellschaftliche Ächtung Pädophiler ist natürlich groß und so bekommen Teilnehmer des Projektes „Kein Täter werden“ , eben wenn sie noch keine Täter geworden sind, anonymisiert Hilfe und selbst der Ort des Treffens, auf dem Unigelände Düsseldorf , wird geheim gehalten.
Wird bereits wegen Kindesmissbrauch ermittelt, steht keine Therapie, einzeln oder in Gruppe, zur Verfügung.
Positive Erfahrungen tragen zum Therapieerfolg bei.
Ralf weiß, dass er lebenslang gegen sein pädophilen Impulse und sein Kopfkino ankämpfen muss. Eine echte Beziehung hatte er bislang nicht, will aber gerne eine Familie und heiraten. Ob es möglich sein wird, ist sicherlich noch recht fragwürdig, aber nicht ganz abwegig. Durch die Einzel-und Gruppentherapiestunden hatte er zuminderst die positive Erfahrung gemacht, vertrauensvoll über seine sexualisierten Zwangsgedanken in der eigenen Familie und mit engen Freunden sprechen zu können. Und machte dabei die gute Erfahrung vorurteilsfrei akzeptiert zu werden.
Ursachen ?
Wieviele Menschen nun tatsächlich betroffen sind, kann nur geschätzt werden. Auch dass der Großteil Betroffener männlich ist, ist bekannt Die Ursachen der pädophilen Störung sind jedoch weitgehend unbekannt. Man vermutet eine genetische Disposition sowie soziale ,emotionale und psychische Faktoren sowie Umwelteinflüsse. Pädophile Männer sollen laut aktueller Studien weniger als ein Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Geringe Abbruchquote und nur wenige Therapieplätze
Man weiß inzwischen dass es fast 10.500 Menschen seit 2018 gibt, die sich bundesweit Hilfe geholt haben, aber nur ca. 1790 nahmen Therapie in Anspruch. In Düsseldorf sollen immerhin fast 1000 Menschen Hilfe gesucht haben. Hier waren die Therapieplätze leider auf ca. 110 begrenzt. Eine geringe Abbruchquote spricht jedoch hier für das Projekt.